Es wird ein stiller Abschied, wenn die britischen Europaabgeordneten kommende Woche ein letztes Mal zur Plenartagung nach Straßburg reisen. Aus der großen Brexit-Party, die sich der Chef der Brexit-Partei Nigel Farage gewünscht hat, wird nichts. Die britische Flagge vor dem Europaparlament soll still und leise eingeholt werden. Farage räumt seinen Platz, die Union Jacks auf den Tischen der Brexiteers im Plenum verschwinden.
Dreieinhalb Jahre ist es her, dass die Briten in einem Referendum für den EU-Austritt gestimmt haben. Seither gab es zwei Mal Neuwahlen und ebenso viele Premiers. Im britischen Unterhaus gab es unzählige Abstimmungen darüber, wie der Brexit aussehen soll - ohne Ergebnis. Es gab Gerichtsurteile gegen rechtswidrige Tricks der regierenden Tories, die sogar die Queen in ihr Schlamassel mit hineingezogen haben. Das Austrittsgesetz ist in seinen unterschiedlichen Varianten drei Mal im Unterhaus gescheitert, der Brexit selbst wurde zwei Mal verschoben, es gab Morddrohungen gegen Politiker, Massendemonstrationen und einen Exodus aus der Tory-Partei.
Premier Boris Johnson hat sein Austrittsgesetz in letzter Minute durchs Parlament gebracht. Damit kann der Brexit am 31. Jänner vollzogen werden.
Endlich, könnte man jetzt sagen, ein Ende mit Schrecken. Nur: Die schwierigste Phase des Austrittsprozesses beginnt erst. London und Brüssel müssen ein Freihandelsabkommen vereinbaren - und die Zeit ist denkbar knapp. Nach dem Brexit gibt es eine Übergangsphase bis Ende 2020, in der fast alles bleibt, wie es ist: Großbritannien muss sich weiter an EU-Regeln halten und seine Mitgliedsbeiträge überweisen, darf aber nicht mehr mitreden. Johnson will die Frist am 31. Dezember deshalb keinesfalls verlängern. Bei einem Beginn der Verhandlungen im März bleiben also gerade einmal zehn Monate, um das Handelsabkommen abzuschließen und zu ratifizieren. Gelingt das nicht, gibt es Ende 2020 einen harten Brexit - mit Zöllen, Chaos an den Grenzen und hohen Verlusten für die Wirtschaft.
"Britischer Fisch für britische Leute"
Ein detailliertes Handelsabkommen, da sind sich die Experten einig, ist in dieser kurzen Zeit nicht möglich. Vereinbart werden können etwa Regeln zur Vermeidung von Zöllen und andere Basics, die nicht in die Zuständigkeit der Mitgliedsländer fallen. Ein "gemischtes Abkommen", das auch die Kompetenzen der EU-Staaten betrifft, müsste von allen nationalen und regionalen Parlamenten ratifiziert werden - was Jahre brauchen würde.
Wahrscheinlich ist ein abgespeckter Kompromiss, ein hastig vereinbarter Minimum-Konsens im Sinne der Schadensbegrenzung: Hauptsache, es fallen keine Tarife für Waren und Güter an.