London. Das Schicksalsreferendum der Briten am kommenden Donnerstag über ihre Zukunft in oder außerhalb der EU könnte auch die politische Landschaft auf der Insel umpflügen. Im Folgenden ein Überblick über Protagonisten der Brexit-Debatte - und was der Ausgang für sie bedeuten könnte.
PRO-EU-LAGER
DAVID CAMERON
Der Premierminister setzte das Referendum im vergangenen Jahr an, um die EU-Skeptiker in den Reihen seiner konservativen Tories zum Schweigen zu bringen. Seit er der EU eine Reform abtrotzte, um die Einwanderung zu begrenzen, wirbt er an vorderster Front für den Verbleib. Gewinnt am 23. Juni das Brexit-Lager, könnte Cameron als Premier in die Geschichte eingehen, der aus taktischem Kalkül die Zukunft seines Landes riskierte. Er könnte sich dann "keine 30 Sekunden länger" im Amt halten, meint sein Parteifreund Ex-Justizminister Ken Clarke. Auch bei einem nur knappen Sieg der EU-Befürworter würde Camerons Stuhl zu wackeln beginnen.
JEREMY CORBYN
Der Labour-Chef vom linken Rand zögerte lange, für den EU-Verbleib zu kämpfen, und besonders laut ist seine Stimme nach wie vor nicht. Im Herzen steht er der EU wohl weiter reserviert gegenüber, hebt aber inzwischen immerhin ihre Leistungen hervor, um Arbeitnehmer und Verbraucher vor einem ungezügelten Kapitalismus zu schützen. Corbyns sechs Amtsvorgänger treten wesentlich klarer für den EU-Verbleib ein.
SADIQ KHAN
Der erste Bürgermeister Londons mit muslimischen Wurzeln und neuer Stern bei Labour schloss am 30. Mai einen Pakt mit Cameron, um den Brexit abzuwehren. Khan hat vor allem die Interessen des Finanzplatzes London im Blick. Der EU-Austritt könnte tausende, wenn nicht zehntausende Banker auf das EU-Festland treiben, weil sie von London aus ihre Geschäfte nicht mehr so leicht betreiben könnten. Der 45-Jährige wird schon als möglicher Nachfolger Corbyns an der Spitze der Labour Party gehandelt.
NICOLA STURGEON
Die Premierministerin von Schottland und Parteichefin der Schottischen Nationalpartei (SNP) warb von Beginn an für den EU-Verbleib. Sollte Schottland am 23. Juni pro Brüssel stimmen, während das Vereinigte Königreich insgesamt dagegen votiert, könnte sie einen neuen Anlauf zur Abspaltung Schottlands nehmen. Ein Brexit würde dies rechtfertigen, lautet ihre Drohung.
PRO-BREXIT
BORIS JOHNSON
Der Ex-Bürgermeister von London fährt seit Wochen in einem Bus quer durch Großbritannien und ruft die Briten auf, sich "die Kontrolle zurückzuholen". Im Kampf gegen Brüssel hat der Tory-Widersacher Camerons jede Beißhemmung verloren, er verglich die EU sogar mit Hitler, weil sie den ganzen europäischen Kontinent beherrschen wolle. Sollte die Mehrheit der Briten am 23. Juni seinem Aufruf folgen, dann gilt er als möglicher Nachfolger Camerons.
NIGEL FARAGE
Der Rechtspopulist und Chef von UKIP (UK Independence Party) hat den EU-Ausstieg zu seinem Lebensziel erkoren. Dabei sitzt er seit 17 Jahren im EU-Parlament, während er auf der Insel kein einziges Wahlamt innehat. Nicht zuletzt wegen fremdenfeindlicher Tendenzen in seiner Partei wurde Farage - der mit einer Deutschen verheiratet ist - nicht ins offizielle "Vote Leave"-Lager aufgenommen, das Johnson leitet. Welche Rolle er im Falle seines größten Triumphs künftig spielen könnte, ist unklar.
TORY-MINISTER
Gleich mehrere Mitglieder von Camerons Kabinett werben für den Brexit: Michael Gove, John Whittingdale, Chris Grayling und Theresa Villiers sowie Beschäftigungsstaatssekretärin Priti Patel. Ein Brexit könnte die Rebellen in die oberste Führungsriege katapultieren. Ein Verbleib würde sie wohl ihre Ämter kosten.