London. Die bisherige britische Innenministerin Theresa May übernimmt am Mittwoch als Premierministerin die Regierungsgeschäfte in London. May löst damit David Cameron ab, nachdem sie am Montag zur neuen Vorsitzenden der Konservativen Partei erklärt wurde.

Eigentlich hätte die Ablösung erst im September stattfinden sollen. Bis dahin wäre ein neunwöchiger Wettstreit zwischen May und der Energie-Staatssekretärin Andrea Leadsom vorgesehen gewesen. In einer erneuten dramatischen Entwicklung zog Leadsom aber am Montag ihre Kandidatur zurück und gab so den Weg frei für die Ernennung Mays zur Partei- und Regierungschefin.

Leadsom, die beim jüngsten EU-Referendum das Brexit-Lager repräsentierte, war die Wunschkandidatin der Parteirechten, der meisten Anti-EU-Tories und vieler Parteigänger der rechtspopulistischen Ukip gewesen. Erst vorigen Donnerstag waren sie und May von der Unterhaus-Fraktion der Tories für die Stichwahl genannt worden, bei der die 150.000 Parteimitglieder der Konservativen eine abschließende Entscheidung zwischen beiden Kandidatinnen treffen sollten.

Brexit soll "Erfolg" werden

Das ist nun nicht mehr nötig. Ihren überraschenden Rückzug erklärte Leadsom damit, dass es "im besten Interesse unseres Landes" liege, wenn sie den Weg für May freigebe. Ein sommerlanger Kampf um den Parteivorsitz hätte nur zu zusätzlicher Instabilität nach dem Brexit-Entscheid beigetragen. "Die Geschäftswelt braucht Gewissheit", sagte Leadsom. Eine "starke Führung" in London sei dringend gefragt. Freunde und Mitarbeiter Leadsoms räumten freilich ein, dass die von ihnen auf den Schild gehobene ehemalige Finanzexpertin von den scharfen öffentlichen Reaktionen auf den Start ihres Wahlkampfs überwältigt war - und dass sie das Wochenende schon "unter Tränen" verbracht hatte, bevor sie den Rückzug beschloss.

Leadsom hatte am Samstag in einem Interview mit der Londoner "Times" argumentiert, sie als dreifache Mutter würde eine bessere Premierministerin abgeben als die kinderlose May. Für diese Bemerkung entschuldigte sie sich am Montag bei May. Eine Kollegin Leadsoms, die Wirtschafts-Staatssekretärin Anna Soubry, hatte zudem erklärt, dass Leadsom "nicht das Zeug zur Premierministerin" habe. 20 weitere Tory-Abgeordnete sollen für den Fall einer Wahl Leadsoms den eigenen Rücktritt angekündigt haben.

Mit Leadsoms Abgang wurde die Ernennung Mays zur Formalität. Am Montag sagte der scheidende Premier David Cameron, er werde am Mittwoch ein letztes Mal als Regierungschef im Unterhaus auftreten und May danach die Schlüssel zur Regierungszentrale übergeben. May, die in der Referendums-Kampagne an der Seite Camerons für britischen Verbleib in der EU plädiert hatte, versicherte am Montag erneut, sie akzeptiere den Austritts-Entscheid voll und ganz. "Brexit bedeutet Brexit", sagte sie. "Wir werden dafür sorgen, dass das ein Erfolg wird." Es werde, fügte sie hinzu, mit ihr als Regierungschefin "keinen Versuch geben, in der EU zu bleiben, und keinen Versuch, durch ein Hintertürchen wieder hinein zu kommen, und auch kein zweites Referendum". Sie werde "sicherstellen, dass wir austreten aus der EU". May will ein "Ministerium für Brexit" einrichten, das den Austritt aushandeln und im bewerkstelligen soll. Eine Kündigung der britischen EU-Mitgliedschaft vor Ende des Jahres soll es jedoch nicht geben.

Sämtliche britische Oppositionsparteien forderten am Montag Neuwahlen. Jon Trickett, der Wahlkoordinator der Labour Party, erklärte, "angesichts der instabilen Verhältnisse seit dem Brexit-Entscheid" sei es "unerlässlich, dass unser Land einen demokratisch gewählten Premier hat". Auch Grüne und Liberaldemokraten wollen nicht bis zu den nächsten regulären Unterhaus-Wahlen im Jahr 2020 warten.

Auch Labour-Führungskampf

Die Konservativen, die nur über eine hauchdünne Mehrheit im Unterhaus verfügen, haben Neuwahlen fürs Erste ausgeschlossen. Die größten Probleme im Falle rasch angesetzter Wahlen hätte allerdings die Labour Party, die just selbst einen bitteren Führungskampf erlebt. Die Abgeordnete Angela Eagle kündigt bereits ihre Kandidatur für den Parteivorsitz an. Amtsinhaber Jeremy Corbyn sei unfähig, die regierenden Konservativen zu bezwingen, sagte sie.