London. Der Startschuss für die Brexit-Verhandlungen steht unmittelbar bevor: Premierministerin Theresa May wird die Europäische Union am 29. März formal über den Austritt aus der Gemeinschaft auf Grundlage von Artikel 50 informieren. Das Königreich habe EU-Ratspräsident Donald Tusk über den Schritt bereits informiert, so ein britischer Regierungssprecher.
Sobald der Antrag eingereicht ist, tickt die Uhr: Die britische Regierung und die EU haben dann zwei Jahre Zeit, die Bedingungen für den Abschied des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zu verhandeln. Eine Verlängerung ist nur möglich, wenn alle übrigen 27 EU-Staaten und die Regierung in London dem zustimmen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das auch passiert. Sonst wäre der Tag des Austritts Großbritanniens aus der EU Samstag, der 30. März 2019.
Die Staats- und Regierungschefs der restlichen EU-Staaten wollen auf einem eigenen Sondergipfel über ihre Leitlinien in den Verhandlungen beraten. Ein exaktes Datum dafür steht noch nicht fest. Für Samstag ist jedenfalls ein Gipfeltreffen in Rom angesetzt, bei dem eine Erklärung über den künftigen Weg der EU verabschiedet werden soll.
Die Kommission soll von den EU-Staaten ein Mandat erhalten, die Details über die Bedingungen des Austritts zu verhandeln. Ein Sprecher der Brüsseler Behörde sagte, man stehe in den Startlöchern.
EU-Insidern zufolge dürften die tatsächlichen Gespräche mit der britischen Seite im Frühsommer beginnen. Bei den Verhandlungen soll es auch um die Frage gehen, wie die finanziellen Verpflichtungen Großbritanniens gegenüber der EU berechnet werden. Dabei geht es unter anderem um EU-finanzierte Projekte in Großbritannien oder die Beiträge für die Pensionen von EU-Beamten. Medienberichten zufolge könnte sich diese "exit bill" auf gut 60 Milliarden Euro belaufen. Eine endgültige Summe soll aber erst gegen Ende der Verhandlungen feststehen.
Sebastian Kurz in London
Drängende Themen sind der Umgang mit EU-Bürgern, die in Großbritannien leben, sowie Briten, die in den anderen Mitgliedsländern wohnen. Der britische Außenminister Boris Johnson will die Rechte der mehr als drei Millionen EU-Bürger "so schnell wie möglich" klären, wie er am Montag nach einem Gespräch mit Österreichs Außenminister Sebastian Kurz in London sagte. Kurz betonte, dass es die EU-Bürger in Großbritannien - unter ihnen 25.000 Österreicher - verdient hätten, "dass ihr rechtlicher Status möglichst rasch geklärt wird". Dies sei ein "wichtiger Verhandlungspunkt gleich zu Beginn der Verhandlungen".
Auch die Frage, wie mit der einzigen künftigen Landgrenze der EU mit Großbritannien zwischen Irland und Nordirland umgegangen werden soll, wollen beide Seiten möglichst rasch klären.
In den kommenden Monaten steht den Experten auf britischer und EU-Seite jedenfalls eine Mammutaufgabe bevor: 21.000 EU-Regeln und -Gesetze müssten erörtert werden, berichtet die Nachrichtenwebseite "Politico" unter Berufung auf Ausschussberichte des EU-Parlaments. Bei etwa 500 Arbeitstagen bis zum Ausscheiden der Briten werden die Verhandlungspartner demnach täglich 40 Gesetze abarbeiten.
Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble pocht darauf, dass London seine Zahlungsverpflichtungen einlöst. Diese "gelten so lange, wie es in den Verträgen geregelt ist", so Schäuble vor der Sitzung der Euro-Finanzminister. EU-Ratspräsident Donald Tusk will nach der Brexit-Erklärung Großbritanniens noch im März den anderen Mitgliedstaaten einen Entwurf für die Richtlinien für die Austrittsgespräche vorlegen.