Brüssel/London. (czar) Das Grün sticht heraus. Auf den dutzenden Seiten, auf denen der Vertrag über den EU-Austritt Großbritanniens festgehalten wird, sind mit dieser Farbe jene Bereiche gekennzeichnet, in denen sich die beiden Partner bereits geeinigt haben. Und obwohl die Brexit-Verhandlungen immer wieder ins Stocken geraten waren, konnten die zwei Chefverhandler auf etliche grüne Stellen im Text verweisen, als sie am Montag in Brüssel gemeinsam vor die Presse traten. So verkündeten Michel Barnier - für die EU - und der britische Minister David Davis einen "entscheidenden Schritt", dem freilich am Wochenende Gespräche bis in die Nacht vorangegangen waren.

Fixiert ist nun die Übergangsperiode, die die EU-Staaten schon im Dezember vereinbart haben. Nach dem EU-Austritt in einem Jahr bleiben den Briten noch 21 Monate, in denen sie weiterhin Zugang zum Binnenmarkt und zur Zollunion haben werden. In dieser Zeit müssen sie aber gleichzeitig EU-Regeln befolgen - ohne jedoch an den Entscheidungsprozessen der Gemeinschaft teilnehmen zu dürfen. Die Frist war vor allem Firmen wichtig, um die Folgen des Brexit abfedern und mehr Planungssicherheit haben zu können.

Wirtschaftskreise auf beiden Seiten begrüßten die Einigung denn auch. "Das ist ein Meilenstein, auf den viele Unternehmen in ganz Großbritannien gewartet haben", kommentierte der Generaldirektor der britischen Handelskammer, Adam Marshall. Rückenwind gab der Kompromiss auch dem Pfund. Die britische Währung stieg um rund ein Prozent auf 1,4087 Dollar.

Mehr Sicherheit zeichnet sich ebenfalls für die Millionen EU-Bürger ab, die im Königreich leben und arbeiten. Ihre Aufenthaltsrechte sollen nicht geschmälert werden. Laut Barnier werden auch jene Unionsbürger, die in der Übergangsperiode auf die Insel ziehen, nicht schlechtergestellt werden als jene, die dort bereits wohnen.

Knackpunkt Irland

Ein Knackpunkt bleibt allerdings die irische Frage: Wie soll eine harte Grenze zwischen dem britischen Nordteil und der Republik Irland vermieden werden? Neue Kontrollen und Grenzzäune sind nämlich alles andere als wünschenswert auf der Insel, auf der nach jahrzehntelangen Konflikten zwischen irisch-katholischen Nationalisten und protestantischen Loyalisten erst 1998 mit dem Karfreitagsabkommen eine Friedensvereinbarung geschlossen werden konnte. Wie sich aber die Trennung gestalten soll, wenn Großbritannien die EU verlässt, ist noch offen.

Die Regierung in Dublin hat zwar eine Idee, doch die stößt in London auf Ablehnung. Denn Irland schlägt vor, dass sich Großbritannien weiter an die EU-Regeln halten solle, falls keine andere Lösung gefunden werde. Dagegen hatte sich Premierministerin Theresa May allerdings gesträubt. Auch Minister Davis räumte nun ein: "Beim Thema Nordirland liegt noch Arbeit vor uns."

Ähnlich äußerte sich der irische Außenminister, Simon Coveney. Dennoch zeigte er sich nicht unzufrieden mit dem Verlauf der Gespräche in Brüssel.

Optimismus legte auch die britische Regierung an den Tag. Beide Seiten wären an einem umfassenden Abkommen interessiert und fühlen sich dem verpflichtet, erklärte Mays Sprecher. Gleichzeitig sei auf beiden Seiten ein Geben und ein Nehmen nötig.

Ein Leitmotiv wird das wohl auch bei den Verhandlungen um die künftigen Beziehungen zwischen der Insel und dem Kontinent sein. Großbritannien wünscht sich ein weit reichendes Handelsabkommen mit der EU - gleichzeitig aber auch die Freiheit, selbständig Verträge mit
anderen Partnern zu schließen. Diese Möglichkeit werde es nach der Übergangsfrist geben - erstmals wieder nach 40 Jahren, wie Davis frohlockte. Die Vereinbarung mit der Union wiederum solle weiter reichen als ähnliche Abkommen der Europäer mit anderen Drittstaaten. Die EU wiederum warnt die Briten vor "Rosinenpicken".

Noch diese Woche wollen die EU-Staats- und Regierungschefs über das weitere Prozedere beraten. Sie kommen am Donnerstag zu einem zweitägigen Gipfeltreffen in Brüssel zusammen.