London. Die Kampagne der Brexit-Befürworter "Leave.EU" hatte offenbar engere Verbindungen zu Russland als bisher bekannt. Mehrere am Sonntag in der "Sunday Times" veröffentlichte E-Mails zeigen, dass die Anti-EU-Kampagne des ehemaligen Ukip-Sponsors Arron Banks und seines Mitarbeiters Andy Wigmore Kontakt mit russischen Regierungsbeamten aufgenommen hatten, um über geschäftliche Interessen zu reden.
Die beiden sollen sich demnach vor dem Referendum über den EU-Austritt Großbritanniens auch mehrmals mit Russen getroffen haben. Bei dem Referendum im Juni 2016 hatten 52 Prozent der Briten für ein Verlassen der EU gestimmt. Das britische Parlament untersucht derzeit den möglichen Einfluss russischer und anderer Falschnachrichten auf die Brexit-Kampagne.
Dem "Times"-Bericht zufolge hatten Banks und Wigmore auch Kontakt zu Alexander Udod, einem mutmaßlichen russischen Geheimdienstmitarbeiter, der nach dem Nervengiftanschlag auf den russischen Ex-Spion Sergej Skripal und seine Tochter im März in Salisbury aus Großbritannien ausgewiesen worden war. Banks hatte zuvor angegeben, sich 2015 einmal mit dem russischen Botschafter Alexander Jakowenko getroffen zu haben. Jetzt sagte er der "Sunday Times": "Ich hatte zwei alkoholreiche Mittagessen mit dem russischen Botschafter und dann noch einmal eine Tasse Tee." Das sei alles nicht so wild gewesen, sagte Banks demnach. "Das ist alles nur eine zweckdienliche politische Hexenjagd, sowohl in Bezug auf den Brexit wie auch auf Trump." Zusammen mit dem ehemaligen Chef der EU-feindlichen Ukip-Partei, Nigel Farage, hatte Banks im November 2016 den gewählten US-Präsidenten Donald Trump in New York getroffen.
Barnier nicht überzeugt
Unterdessen ist im Streit Londons mit Brüssel über die Modalitäten des EU-Austritts keine Lösung in Sicht. Einer der Hauptstreitpunkte betrifft die künftige Grenze Nordirlands mit der Republik Irland. Auch der jüngste britische Vorschlag zur Lösung des Problems überzeugt den EU-Chefunterhändler Michel Barnier nicht. Es sei gut, dass London sich mit dem Vorstoß engagiere, so Barnier. "Jedoch stellen sich jetzt mehr Fragen als Antworten." Ablehnen wollte er den Vorstoß aber auch nicht.
Es ist die erste offizielle Antwort der EU auf das Angebot aus London, für eine begrenzte Zeit auch nach dem EU-Austritt eine Art Zollunion mit der EU beizubehalten. Zankapfel ist insbesondere Nordirland, wo nach dem Ausstieg über Nacht zur Republik Irland eine neue EU-Außengrenze entstehen würde. Dort müssten Personen und Waren eigentlich wieder kontrolliert werden, was vor allem die irische Regierung ablehnt. Zudem wird ein Aufflammen der Unruhen nach 20 Jahren Ruhe befürchtet. Deshalb unternimmt Dublin alles, um eine harte Grenze zu vermeiden - und hat dabei den Rest der EU hinter sich.
Die Briten wollen die EU im März 2019 verlassen. Wegen der vielen Unklarheiten gewährt die EU dem Königreich aber eine Übergangsperiode bis Ende 2020. In der Zeit muss London sich an EU-Regeln halten, bewahrt sich dafür aber den Zugang zum EU-Binnenmarkt und zur Zollunion.
Nun schlug Premierministerin Theresa May eine noch längere Verbindung zur EU-Zollunion vor, eventuell bis Ende 2021. Bis dahin wolle man sich mit Brüssel auf alle Punkte des Scheidungsvertrags einigen.
"Außergewöhnliche" Lösung
Die Notfalllösung sei aber zeitlich begrenzt und deshalb nicht das, was die EU oder Irland wollten, betonte Barnier. Die von der Union angebotene Ausweitung des EU-Zollgebiets auf Nordirland sei zudem eine "außergewöhnliche" Lösung, die nicht auf das ganze Königreich ausgeweitet werden könne. Die derzeit einzig denkbare Alternative ist eine Zollgrenze im Vereinigten Königreich selbst: zwischen Nordirland und der Hauptinsel. Doch das ist für May nicht akzeptabel.