Aus Sicht von Armin Laschet ist die jüngste Forsa-Umfrage, die das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) in Auftrag gegeben hat, desaströs. Nur knapp 20 Prozent der CDU-Mitglieder sprechen sich demnach dafür aus, dass der erst vor zwei Monaten zum CDU-Chef gekürte Laschet im Herbst auch als Kanzlerkandidat in die großen Fußstapfen von Angela Merkel tritt. Der große Rivale des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen kommt dagegen auf deutlich mehr Zuspruch. Rund zwei Drittel der befragten Parteimitglieder können sich CSU-Chef Markus Söder sehr gut als neuen Frontmann bei den Bundestagswahlen vorstellen.
In jedem Fall tickt aber schon die Uhr. Denn in den verbleibenden 50 Tagen bis Pfingsten will die Union aus CDU und CSU nach der schwierigen CDU-Vorsitzwahl im Jänner endgültig entscheiden, mit wem sie ins Rennen um das Kanzleramt geht.
Beide Parteichefs hatten in den vergangenen Monaten immer wieder betont, wie gut ihr wechselseitiges Verhältnis sei. Aber je näher die Entscheidung rückt und je weiter die Union von den 32,9 Prozent der Bundestagswahl 2017 in Richtung 25 Prozent abstürzt, desto mehr zeigen sich Risse in der demonstrativen Harmonie. Jüngstes Beispiel: Als Merkel die Ministerpräsidenten mahnte, die Corona-Notbremse umzusetzen, eilte Söder an ihre Seite und kritisierte andere Bundesländer - obwohl Bayern selbst hohe Infektionszahlen aufweist und Modellöffnungen plant, die Merkel derzeit für unpassend hält. Aber Söder will sein 2020 erworbenes Image wiederbeleben, einen strengeren Kurs in der Corona-Krise zu verfolgen als andere.
Ohne Söder namentlich zu nennen, bemängelte Konkurrent Laschet am Montag verschnupft, Kritik an anderen sei nicht hilfreich. Der CDU-Chef gibt damit wieder, wie genervt auch die anderen CDU-Ministerpräsidenten von Söder sind. Den CSU-Chef, der immer noch nicht erklärt hat, ob er überhaupt antreten würde, ficht das freilich nicht an. Im Gegenteil: Söder stichelte am Dienstag, er finde es merkwürdig, wenn ein CDU-Chef im Wahljahr mit der Kanzlerin streite.
In internen CSU-Runden verweist Söder nach Auskunft von Teilnehmern auch immer wieder stolz auf seinen Umfragen-Vorsprung gegenüber Laschet. Und nicht nur dort fällt dieses Argument auf fruchtbaren Boden. "Wenn wir bei der Bundestagswahl noch eine Chance haben wollen, müssen wir mit dem stärksten Kandidaten antreten, den wir haben. Das ist ganz klar Markus Söder", sagt etwa die rheinland-pfälzische CDU-Landtagsabgeordnete Ellen Demuth.
Pokert Söder nur?
Laschet hat allerdings mehrfach deutlich gemacht, dass er sich als Chef der deutlich größeren Schwesterpartei den Anspruch auf die Kandidatur nicht nehmen lassen will. Viele CDU-Granden drängen ihn, Baden-Württembergs CDU-Landeschef Thomas Strobl sprach sich für ihn als Mann der Mitte aus. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident hatte sich in den vergangenen Wochen auch sehr um die Einbindung auch der Parteiflügel in Ost und West bemüht, die eigentlich nicht seine Fans waren. "Es wird schwer sein, Laschet die Kandidatur zu nehmen, wenn er will - denn bisher kommt kein CDU-Schwergewicht aus der Deckung und spricht sich für Söder aus", sagt ein Bundesvorstandsmitglied. Das, so eine Vermutung in der CDU, könnte sich höchstens ändern, wenn Söder offiziell seine Hand hebt. "Niemand will sich doch für jemanden verbrennen, von dem man nicht weiß, ob er überhaupt kandidiert", beschreibt ein anderes CDU-Vorstandsmitglied die Lage. Noch immer ist die Fraktion derer groß, die bei Söder nur Pokern, aber keinen echten Willen vermuten, das Risiko eines Wechsels nach Berlin einzugehen.
Die beiden Parteichefs haben bereits betont, dass sie die Frage zunächst unter sich klären wollen - und dies auch "einvernehmlich" schaffen würden. Aber in den beiden Parteien wird gerätselt, wie dies geschehen soll. 2002 war CDU-Chefin Angela Merkel zu CSU-Chef Edmund Stoiber nach Wolfratshausen gefahren und hatte ihm die Kanzlerkandidatur angedient - weil sie zu viel Gegenwind aus den eigenen Reihen bekommen hatte. Das das noch einmal auf ähnliche Art und Weise passieren wird, glaubt allerdings so gut wie kaum jemand.
In der CDU halten zudem auch nicht alle eine möglichst schnelle Entscheidung für klug. Aus Sicht von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble würde ein möglichst später Termin etwa das Risiko einer Konkurrenzsituation zwischen der dann gekürten neuen Unions-Galionsfigur und Kanzlerin Merkel begrenzen. Immerhin hatte deren Kritik am Corona-Kurs auch Nordrhein-Westfalens gerade gezeigt, wie gefährlich dieses Doppelspiel für die Union wäre.(rs/reuters)