Trotz anhaltend schwacher Umfragewerte glaubt Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) weiter an den Wahlsieg bei der Bundestagswahl in Deutschland. "Ich bin davon überzeugt, dass wir als Erster durchs Ziel gehen", sagte er der "Welt am Sonntag" laut Vorausmeldung. "Wir spüren, dass sich etwas bewegt. Die Tendenz für die Union zeigt nach oben." Den Sozialdemokraten, die in den Umfragen vorn liegen, unterstellte Laschet eine verfrühte Siegesgewissheit.

"Die Hybris der SPD, diese Wahl sei schon gewonnen, zerschellt gerade an der Wirklichkeit." Die "schöne Geschichte", dass SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz "die neue Angela Merkel" sei, sei geplatzt, fügte Laschet hinzu. "Die Menschen merken, dass Scholz und Merkel für zwei ganz unterschiedliche politische Richtungen stehen."

Vielen Menschen werde erst jetzt bewusst, dass es bei der Bundestagswahl um eine Richtungsentscheidung gehe, sagte Laschet weiter. "Ich will alles tun, damit Rot-Rot-Grün keine Mehrheit findet - darum geht es im Schlussspurt." Die Union müsse stärkste Kraft werden, "damit Deutschland einen Kurs der Mitte fährt", sagte der CDU-Vorsitzende. "Rot-Rot-Grün würde unser Land spalten."

Union hinter SPD

In den Umfragen liegt die Union derzeit etwa drei bis vier Prozentpunkte hinter der SPD auf dem zweiten Platz. Rechnerisch möglich sind eine ganze Reihe von Koalitionen, nämlich Rot-Grün-Rot, eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP sowie ein Bündnis von CDU/CSU, Grünen und FDP. Als einzige Zweier-Konstellation hätte eine Große Koalition aus SPD und Union eine knappe Mehrheit.

Der Spitzenkandidat der Linken, Dietmar Bartsch, wehrte sich unterdessen gegen die Deklarierung einer potenziellen Koalition seiner Partei mit SPD und Grünen als Linksbündnis. "Es wäre kein Linksbündnis. Wer meint, dass SPD und Grüne linke Parteien sind, liegt falsch", sagte Bartsch der "Passauer Neuen Presse" vom Samstag. Insbesondere Politiker der CDU/CSU, aber auch der FDP warnten zuletzt immer wieder vor einem "Linksbündnis" oder sogar einem "Linksrutsch" nach der Bundestagswahl.

Bartsch bekräftigte: "Die Linke ist bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen." Das sei allerdings an einen Politikwechsel gebunden. Bartsch beklagte einen "Problemstau" in Deutschland. "Die großen Herausforderungen sind in den vergangenen vier Jahren nicht angegangen worden." Als Beispiele nannte er unter anderem soziale Sicherheit, Kampf gegen Kinderarmut und eine effektive und sozial gerechte Klimapolitik. "Bei all diesen Themen ist ein Mitte-Links-Bündnis eine große Chance für Deutschland und keine Bedrohung."

Kritik an Scholz wegen Geldwäsche-Einheit

SPD-Kanzlerkandidat und Finanzminister Olaf Scholz wiederum ist seitens Vertretern von FDP, Linker und Grünen mit schweren Vorwürfen wegen der Probleme der zentralen Einheit zur Geldwäsche-Bekämpfung, der Financial Intelligence Unit (FIU), konfrontiert. "Scholz hat viel zu spät realisiert, dass diese Behörde nicht funktioniert", sagte FDP-Finanzexperte Florian Toncar der "Rheinischen Post" (Samstagsausgabe). "Die Defizite im Bereich Personalausstattung und IT wurden zu spät angegangen und sind bis heute nicht gelöst."

Kritisch äußerte sich auch Linke-Finanzexperte Fabio De Masi. Er warf Scholz vor, sich nicht um die Behebung der "strukturellen Probleme" bei der FIU gekümmert zu haben. "Der bisherige Umgang von Olaf Scholz mit seinen eigenen Fehlern ist eines Ministers und Kanzlerkandidaten unwürdig", sagte die Grünen-Finanzpolitikerin Lisa Paus der Zeitung. "Scholz sollte jetzt Rückgrat zeigen und die politische Verantwortung übernehmen."

Gegen Verantwortliche der beim Zoll angesiedelten FIU ermittelt die Staatsanwaltschaft Osnabrück. Es geht um den Verdacht der Strafvereitelung im Amt. Mitarbeiter der Behörde sollen Hinweise auf Geldwäsche nicht an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben haben. Im Zuge der Ermittlungen waren in der vergangenen Woche Scholz' Ministerium, dem der Zoll untersteht, und das Justizministerium durchsucht worden. Scholz äußerte sich dazu kritisch. Er soll am Montag im Finanzausschuss des Bundestags Auskunft zu der Angelegenheit geben.

FDP für Jamaika-Koalition

Führende Politiker der FDP sprachen sich am Samstag für eine sogenannte Jamaika-Koalition ihrer Partei mit den Grünen unter Führung der Union aus, auch wenn die SPD die Bundestagswahl gewinnen sollte. "Wir würden sehr gerne eine Jamaika-Koalition eingehen. Selbst dann, wenn die Union zweitstärkste Kraft hinter der SPD wäre", sagte Parteivize Wolfgang Kubicki den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Dabei sei es egal, wie groß der Abstand zwischen Union und SPD wäre, fügte Kubicki hinzu. "Das ist nicht das entscheidende Kriterium. Es reicht, dass ein solches Bündnis die Mehrheit hätte." Er wisse allerdings nicht, ob die Grünen in einer solchen Lage mitmachen würden und vor allem, ob sie das ihrer Basis vermitteln könnten, räumte Kubicki ein.

FDP-Chef Christian Lindner sagte der "Rheinischen Post", es gebe keinen Automatismus, "dass der Kandidat der stärksten Partei ins Kanzleramt einzieht". Mehr denn je komme dieses Mal auf die Koalitionsgespräche nach der Wahl an. "Die Schwäche der Union ist überraschend", sagte Lindner mit Blick auf aktuelle Umfragewerte. "Dennoch haben CDU und CSU solidere Koalitionsoptionen."

Nach Ansicht von CSU-Chef Markus Söder hat dagegen nur der Erstplatzierte die Aufgabe, eine neue Regierung zu bilden. Wenn die Union vorne liege, gebe es einen "moralischen und politischen Führungsauftrag" und einen "klaren Auftrag beispielsweise für Jamaika", sagte der bayerische Ministerpräsident im Deutschlandfunk. Deshalb sei das klare Ziel, Nummer eins zu werden. "Umgekehrt, wenn die SPD vorne liegt, ist ja klar, dass es entweder eine Linkskoalition oder eine Ampel gibt", fügt Söder hinzu. (apa/afp/reu)