Im Grasser-Prozess waren heute der Journalist Ashwien Sankholkar und der ehemalige FPÖ-Verkehrsminister Michael Schmid geladen. Ersterer hatte als Redakteur beim Nachrichtenmagazin "Format" zahlreiche Aufdeckergeschichten zum Korruptionsverdacht bei der Privatisierung der Buwog verfasst. Er nützte heute mehrmals im Sinne des Quellenschutzes das Redaktionsgeheimnis und verweigerte die Aussage.
Aussageverweigerungsrecht
Sankholkar hatte im Nachrichtenmagazin "Format" am 18. September 2009 einen Artikel mit dem Titel "Die Buwog-Bombe" verfasst. Demnach gehe aus einer Aussage im Immofinanz-Verfahren hervor, dass bei der Buwog-Privatisierung eine Millionenprovision gezahlt wurde. "Der BUWOG-Deal war eine Goldgrube für die Freunde von Karl-Heinz Grasser. Provisionen wurden heimlich über Briefkastenfirmen in Zypern verteilt. Beim Lobbyisten Peter Hochegger landeten so mehr als zehn Millionen Euro." Das Magazin "Format" wurde inzwischen mit dem "Trend" fusioniert. Sankholkar arbeitet heute für die Rechercheplattform "Dossier".
Bei Fragen zu seinen Recherchen verweigerte der Aufdeckerjournalist heute regelmäßig die Aussage. Richterin Marion Hohenecker hatte ihn extra auf sein Aussageverweigerungsrecht gemäß Mediengesetz hingewiesen.
Sankholkar wurde gleich zum Beginn des Prozesses im Dezember 2017 als Berichterstatter vom Verfahren ausgeschlossen, da er noch als Zeuge aussagen musste - was heute, am 151. Prozesstag, schließlich stattfand. Der Antrag dazu kam damals vom Verteidiger des Erstangeklagten Ex-Finanzministers Karl-Heinz Grasser, Manfred Ainedter. Die Befragung durch Ainedter dauerte aber heute für Sankholkar nur zehn Minuten - während es für den Journalisten die vergangenen zweieinhalb Jahre unmöglich war, über den Prozess aus dem Gerichtssaal zu berichten.
Knapp verlief die Fragerunde durch Ainedter. "Ich brauche mich nicht vorzustellen, wir kennen uns ja", so der Anwalt zum Journalisten, mit dem er so manchen medienrechtlichen Strauß ausgefochten hatte. "150 Artikel sind von September 2009 bis Dezember 2014 im Format erschienen, mit denen Sie sich redlich bemüht haben eine Anklage herbeizuschreiben", warf er dem Zeugen vor. Wer ihm den Strafakt zugespielt habe, aus dem er in seinen Artikeln zitiert hatte, wollte der Anwalt wissen - was von Sankholkar unter Verweis auf sein Aussageverweigerungsrecht nicht beantwortet wurde.
Schließlich meldete sich noch der nun mitangeklagte ehemalige Anwalt Gerald Toifl zu Wort, der damals im September 2009 von Meischberger in der Causa kontaktiert worden war, und der daraufhin ein E-Mail an einen Kollegen geschrieben hatte, er habe die letzte Nacht mit Meischberger und Grasser zusammengesessen, das Ergebnis sei Meischbergers Selbstanzeige gewesen. Der Kollege solle nur die Geschichte von Sankholkar im "Format" lesen, denn sie stimme. Ob in der Geschichte damals gestanden sei, dass Grasser und Meischbeger Geld genommen hätten, wollte er vom Journalisten wissen, worauf dieser auf den Text der Story verwies: Es sei nicht sicher, ob Hochegger die Provision geteilt hätte. Meischberger sei damals für ihn noch gar kein Thema gewesen.
"Sag's dem Jörg"
Der ehemalige Verkehrsminister Schmid bestätigte im Wesentlichen die Aussage des Belastungszeugen Willibald Berner, der im Jahr 2000 Schmids Kabinettschef war. Berner hatte von einer Skizze erzählt, die ihm der damalige Lobbyist Peter Hochegger aufgezeichnet habe, mit Namen von Personen, die bei Großprojekten der schwarz-blauen Regierung mitkassieren wollten. Laut Berner waren die Namen Grasser, Hochegger, Meischberger und Plech auf der einen Seite, auf der anderen Jörg Haider, Berners Name und noch drei weitere. Er, Berner, habe das aber abgelehnt. Hochegger dementiert das Ganze. Die Anklage sieht Berners Aussage als Beweis für einen "Tatplan" zur Korruption.
Schmid sagte heute aus, Berner habe ihm im Sommer 2000 eine Skizze gezeigt, von einer Firmenkonstruktion geredet und auch dass Hochegger ihn als Minister beraten wolle. Er habe das abgelehnt und Berner aufgefordert, "Sag's dem Jörg". Gemeint war Jörg Haider, damals Kärntner Landeshauptmann und bis kurz davor auch FPÖ-Chef. Er gehe davon aus, dass Berner Haider informiert habe. An Details des damaligen Gesprächs mit Berner erinnere er sich heute, 20 Jahre später, nicht mehr. Die Erinnerung daran sei nach einem Gespräch mit Berner vor seiner Zeugenaussage im Ermittlungsverfahren 2009 wieder aufgelebt, sagte Schmid.
Schmid überraschte zu Beginn seiner Aussage vor Richterin Hohenecker damit, dass er sich auf eine Stellungnahme von Grasser zu Berner im Internet berief, die er gegoogelt habe. Die Aussagen und Zusammenhänge, die darin dargestellt seien, wären aber unrichtig.
"Gegengewicht"
Der Zweitangeklagte Walter Meischberger, Lobbyist und Ex-FPÖ-Generalsekretär, sagte zum Abschluss des heutigen Prozesstags, dass die Stellungnahme Grassers auf der von ihm betriebenen Seite "derbuwogprozess.at" stehe. Er wolle damit ein "Gegengewicht" zur oft "verzerrten" medialen Berichterstattung bilden. Richterin Hohenecker hakte nach, ob er auf der Seite auch Teile des Gerichtsakts publiziere. Meischberger verneinte, er publiziere dort, was in der Hauptverhandlung geschehe. Er habe etwa einen Brief von Hocheggers Anwalt publiziert, den dieser in "freimaurerischer" Formulierung an die Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Ilse-Maria Vrabl-Sanda geschrieben habe.
Die Homepage wird in Meischbergers Auftrag von einer Wiener PR-Agentur betrieben. Wer die Kosten dafür übernimmt, sagt Meischberger nicht. Die Kosten für seine anwaltliche Vertretung im Grasser-Prozess trägt der Steuerzahler, der Ex-Politiker hat einen Pflichtverteidiger.
Vom Gericht angeforderte Unterlagen der UniCredit-Bank Austria wurden heute den Verteidigern auf Wunsch verteilt. Das Gericht hatte Protokolle von Sitzungen der Bank Austria angefordert.
Nächste Woche geht es von Montag bis Mittwoch im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts weiter, Zeugen sind allerdings keine geladen. Themen werden unter anderem etwaige Beweisanträge und Stellungnahmen sein, dann geht der Prozess in die Sommerpause - um dann im Herbst das Finale einzuläuten. Vorausgesetzt die Corona-Pandemie macht der Planung von Richterin Hohenecker keinen Strich durch die Rechnung - wie das schon im heurigen Frühjahr der Fall war. (apa)