Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser droht eine lange Gefängnisstrafe. Zu acht Jahren Haft wurde er am Freitag von einem Schöffensenat am Wiener Straflandesgericht verurteilt. Ex-FPÖ-Politiker Walter Meischberger fasste sieben Jahre Haft, Ex-Lobbyist Peter Hochegger sechs Jahre Haft aus. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

Mit der erstinstanzlichen Entscheidung fand der fast dreijährige Buwog-Prozess sein Ende. Doch wird die Strafsache die österreichische Justiz noch lange beschäftigen. Die Verteidiger haben bereits Rechtsmittel gegen das Urteil angekündigt. Grasser sprach von einem "Fehlurteil".

Wofür wurde Grasser verurteilt?

Der Schöffensenat verurteilte Grasser wegen Untreue, Geschenkannahme durch Beamte und der Fälschung von Beweismitteln. Die Richter sahen die Vorwürfe in der Buwog-Anklage als erwiesen an: Grasser habe bei der Buwog-Privatisierung 2004 und der Einmietung der Finanz in den Linzer Terminal Tower 2006 Schmiergelder kassiert. Es sei zu "verdeckten Provisionsabsprachen" gekommen - bei der Buwog-Privatisierung in Höhe von rund 9,6 Millionen Euro und beim Terminal Tower in Höhe von 200.000 Euro. Diese Absprachen stellten laut dem Schöffensenat Untreue zum Nachteil der Republik Österreich dar.

Es bestehe kein Zweifel, dass Grasser als Finanzminister geheime Informationen aus dem Buwog-Bieterverfahren über seine Komplizen Meischberger und Hochegger an das Österreich-Konsortium weitergegeben habe, so die vorsitzende Richterin Marion Hohenecker. Dadurch wusste das Konsortium, wie viel es bieten musste, um den Zuschlag zu erhalten, im Gegenzug floss Schmiergeld, so das Urteil.

"Nur Grasser kommt als Informant in Frage", sagte Hohenecker. Sie sprach von "erdrückenden Beweisen" und verwies auf Zeugenaussagen und diverse Dokumente. Es sei bewiesen, dass das Geld auf einem Konto in Liechtenstein, das Meischberger als sein eigenes bezeichnet, Grasser gehöre. Den Ausführungen der Angeklagten zu den Geldflüssen glaubte der Schöffensenat nicht. Dass Grassers Schwiegermutter ihm etwa 500.000 Euro gegeben habe, um seine Anlagetalente zu prüfen, sei abwegig, meinte Hohenecker.

Die Strafdrohung bei Grasser beträgt ein bis zehn Jahre Haft. Es wäre auch möglich gewesen, den Strafrahmen auf fünfzehn Jahre zu erhöhen, da Grasser die Straftat unter "Ausnützung einer Amtsstellung" begangen haben soll. Der Schöffensenat wandte diese Strafverschärfung nicht an. Die lange Verfahrensdauer habe mildernd Eingang ins Urteil gefunden, so die Richerin. Eine von den Angeklagten behauptete Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) stelle die lange Dauer nicht dar: "Längere Phasen behördlicher Inaktivität lagen nicht vor."

Was ist mit den anderen Angeklagten?

Meischberger wurde als Beitragstäter zu Grassers Delikten, wegen Bestechung und Fälschung von Beweismitteln verurteilt. Er hat laut dem Urteil als Grassers Mittelsmann agiert. Hochegger wurde als Beitragstäter zu den Komplexen Buwog und Telekom verurteilt, von den Vorwürfen hinsichtlich des Terminal Tower wurde er freigesprochen. Hochegger hatte zu Prozessbeginn ein Teilgeständnis abgelegt. Als mildernd wurde es nicht gewertet: Das Geständnis sei zu spät gekommen, auch sei es nicht reumütig gewesen und habe nicht zur Wahrheitsfindung beigetragen, so Hohencker.

Ex-Telekom-Vorstand Rudolf Fischer wurde zu einem Jahr Haft, acht Monate bedingt, in der Causa Telekom verurteilt. Sie dreht sich um den Vorwurf der illegalen Parteienfinanzierung durch Telekom-Gelder. Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics bekam eine zweijährige Haftstrafe, Ex-RLB-OÖ-Vorstand Georg Starzer drei Jahre, Anwalt Gerald Toifl zwei Jahre und der Schweizer Vermögensverwalter Norbert Wicki 20 Monate.

Fünf Angeklagte im Komplex Terminal Tower wurden freigesprochen. Einen Freispruch gab es für den früheren Immofinanz-Vorstand Christian Thornton. Meischberger wurde zudem vom Betrugsvorwurf rund um seine Villa in Döbling freigesprochen.

Wie haben Grasser & Co. auf das Urteil reagiert?

Grasser bezeichnet die Entscheidung als "Fehlurteil" und ein "politisches Urteil": "Ich weiß, dass ich unschuldig bin." In der Früh habe er noch mit einem Freispruch gerechnet. Er sei nun "traurig, schockiert und erschrocken", sagte Grasser. Es gebe "keinen Beweis für ein unrechtes Handeln meiner Person", so Grasser. "Dieses Urteil hat nichts mit Fairness und Gerechtigkeit zu tun." Er sei zuversichtlich, dass es vor dem Höchstgericht nicht standhalten wird, so Grasser.

Laut Grassers Anwalt Manfred Ainedter hat der Schöffensenat "dem enormen Verurteilungsdruck der in der Zweiten Republik einmaligen medialen Vorverurteilung durch zigtausende negative Medienberichte nicht standgehalten". Grasser sei "zu Unrecht verurteilt" worden. Hochegger zeigte sich nach dem Urteil entspannt: "Ich nehme die Geschehnisse des Lebens, so wie sie sind." Meischberger stürmte, nachdem die Strafhöhe verkündet wurde, aus dem Saal. Jörg Zarbl, Meischbergers Anwalt, meinte: "Es ist ein unfassbares Fehlurteil." Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt prüft noch, ob sie Rechtsmittel erhebt. Sie könnte gegen das Urteil berufen und etwa bemängeln, dass der Senat bei Grasser nicht den höheren Strafrahmen von fünfzehn Jahren angewandt hat.

Wie geht es nun weiter?

Die Strafsache wird die Justiz noch längere Zeit beschäftigen. Zunächst muss der Schöffensenat das Urteil verfassen und ausfertigen. Anschließend können die Verteidiger ihre Rechtsmittel dagegen ausführen.

In einer Nichtigkeitsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof (OGH) kann etwa gerügt werden, dass während der Verhandlung formelle Fehler passiert sind oder im Urteil Beweise mangelhaft gewürdigt wurden. Weiters kann in einer Berufung eine niedrigere oder höhere Strafe gefordert werden. Der OGH kann die Verurteilung zur Gänze oder zum Teil aufheben. In diesem Fall kann er in der Sache selbst entscheiden oder sie zur erneuten Entscheidung an die erste Instanz zurückweisen. Der Prozess muss dann, im Umfang der Aufhebung, neu durchgeführt werden. So etwas ist etwa beim Bawag-Prozess passiert.

Der OGH kann das Urteil aber auch bestätigen, wodurch der Schuldspruch rechtskräftig wird. Bei einem Schuldspruch könnte anschließend noch die Strafhöhe reduziert oder erhöht werden, darüber entscheidet das Oberlandesgericht Wien.

Ainedter will weiters auch den Verfassungsgerichtshof einschalten. Dieser soll sich mit dem Verdacht der Befangenheit Hoheneckers befassen. Die Verteidigung hält die Richterin für befangen, weil ihr Ehemann im Vorfeld des Prozesses vorverurteilende Beiträge über Grasser im Internet veröffentlicht hat.

Inwiefern kann der EGMR noch eine Rolle spielen?

Möglich ist auch die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Er entscheidet, ob bei einem Verfahren die EMRK verletzt wurde. Zarbl sagte, er wollte für Meischberger den Weg zum EGMR beschreiten. Stellt der EGMR eine Verletzung der Menschenrechtskonvention fest, folgt allerdings nicht automatisch eine Wiederholung des Prozesses. In einem solchen Fall wäre der OGH am Zug: Er könnte das Strafverfahren erneuern und nochmals durchführen lassen. Eine Beschwerde an den EGMR hat auch keine aufschiebende Wirkung.

Welche Folgen kann das Urteil noch haben?

Dem Verfahren haben sich Privatbeteiligte angeschlossen, die von Grasser und anderen Angeklagten Ersatz verlangen. Der Schöffensenat sprach der Republik Österreich den Ersatz von rund 9,8 Millionen Euro zu. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, kann der Bund von Grasser, Hochegger und Meischberger Ersatz verlangen. Hochegger befindet sich laut Medienberichten aber im Privatkonkurs.

Die CA Immo, die bei der Buwog-Privatisierung unterlag, wurde durch das Urteil auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Sie hat gegen die Republik Österreich und das Land Kärnten bereits eine Schadenersatzklage eingebracht und macht einen Schaden von zwei Milliarden Euro geltend. Durch Grassers Verurteilung sieht sich die CA Immo in ihren Forderungen nun bestätigt.