Wien. Die Leiterin des Extremismusreferats im Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) hat am Donnerstag scharfe Kritik an der Hausdurchsuchung vom 28. Februar geübt. "Die Folgen der Hausdurchsuchung in der Innenwirkung sind eine Katastrophe", sagte die Beamtin im U-Ausschuss. Außerdem kritisierte sie die mangelnde Unterstützung für das BVT durch die Ressortleitung unter Innenminister Herbert Kickl (FPÖ).

"Irgendwer wollte Aufsehen erregen - das war eine Show"

Die Extremismus-Chefermittlerin hat die Hausdurchsuchung im BVT "als Drohgebärde, als Muskelspiel" empfunden. "Irgendwer wollte Aufsehen erregen", meinte sie bei ihrem selbstbewussten, durchaus launigen Auftritt am Donnerstag im Untersuchungsausschuss. "Für mich war das wirklich eine Show."

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Die Razzia sei außerhalb der Norm gewesen, sagte die Beamtin und verwies sie etwa darauf, dass bei der Razzia eine Ramme in ein Amtsgebäude mitgenommen worden sei, obwohl es eine Zentralkarte gebe.

Zudem seien die Beamten der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS), die die Hausdurchsuchung durchführten, auch nicht ausreichend "sicherheitsüberprüft". Die Chefermittlerin erinnerte daran, dass in ihrem Büro heikle Daten gelagert sind. Die EGS-Beamten hätten die physischen Akten in ihrem Büro allein gesichtet - ohne Staatsanwältin oder IT-Beamte.

Die FPÖ-Abgeordnete Petra Steger fragte nach, ob die Beamtin den Eindruck hat, es sei bei der Hausdurchsuchung vor allem um die Mitnahme von Extremismusdaten gegangen. "Nein, das glaube ich nicht", es habe sich eher um ein "Showprogramm" gehandelt, bekräftigte sie. Steger war auch bemüht, den Eindruck zu zerstreuen, dass mit der EGS - deren Leiter FPÖ-Mitglied ist - eine "blaue Truppe" im BVT einmarschiert ist. Die politische Gesinnung ihrer Kollegen sei ihr egal, erklärte die Chefermittlerin, sie habe keine Befindlichkeiten gegenüber der EGS - "ob die dort alle blau sind, entzieht sich meiner Kenntnis".

Sie habe sich bei der Razzia wie eine Beschuldigte gefühlt, sagte die Chefermittlerin, die in dem Verfahren aber eigentlich nur Zeugin ist. SPÖ-Mandatarin Sabine Schatz sprach die Zeugenaussage ihres ehemaligen Vorgesetzten W. an, einem der zentralen Belastungszeugen im BVT-Verfahren. Die Beamtin wies dessen Darstellung zurück, wonach sie sich sinngemäß fast nur mit Rechtsextremismus, aber kaum mit Linksextremismus befasse. "Man hat mich verkauft", meinte sie stattdessen, damit die aktuelle Führung im Innenministerium "aufspringt auf mich" und W. irgendwelche Vorteile dadurch habe. In einem E-Mail an die Staatsanwaltschaft im April hatte die Beamtin auch über eine "Hetzjagd" gegen sie geklagt.

NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper wollte wissen, ob die Beamte wie andere Auskunftspersonen durch das Innenministerium auf die Befragung im U-Ausschuss vorbereitet wurde. Die resolute Chefermittlerin verneinte - "aber ich brauch auch keine Schulung, um zu wissen, dass ich die Wahrheit sagen muss."

Referatsleiterin: Kardeis drängte auf ihre Pensionierung 

Die Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, soll die Extremismus-Chefermittlerin des BVT im Mai zur freiwilligen Pensionierung gedrängt haben. Außerdem habe Kardeis sie aufgefordert, ihre "Frontalangriffe" gegen Generalsekretär Peter Goldgruber zu unterlassen, sagte die BVT-Chefermittlerin im U-Ausschuss aus.

Dass sie zur Pensionierung gedrängt worden war, war bekannt. Die NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper wollte von der langjährigen Beamtin wissen, von wem die Aufforderung gekommen ist. "Das war die Frau Generaldirektorin", antwortete die Beamtin. Kardies habe sie nach Ostern zu sich gebeten und gesagt, "die wollen dich loswerden". "Das wird ganz brutal werden", habe Kardeis gemeint und dann als "sanftere Methode" die freiwillige Pensionierung vorgeschlagen.

Außerdem habe Kardeis ihr geraten, sie solle ihre "Frontalangriffe gegen den Generalsekretär" unterlassen. Die BVT-Chefermittlerin hatte nach der Razzia eine Beschwerde gegen die Hausdurchsuchung eingebracht und das aus ihrer Sicht fahrlässige Vorgehen dabei kritisiert. "Ich nehme an, dass das der Hintergrund der Aussage war", so die Beamtin.

"Es gibt keine Unschuldsvermutung für uns"

"Es gibt keine Unschuldsvermutung für uns, nicht einmal durch die eigene Ressortleitung", beklagte die langjährige Ermittlerin. Hinter den Vorwürfen gegen den Verfassungsschutz vermutet sie - die im Verfahren übrigens nicht als Beschuldigte, sondern lediglich als Zeugin geführt wird - ihren früheren Abteilungsleiter. "Wenn er den Verdacht von Missständen gehabt hätte, hätte er es abstellen müssen", so die Beamtin. Stattdessen habe er seine Kollegen "aus niederen Beweggründen" beim Ministerbüro angeschwärzt.

Erwartungsgemäß verrissen hat die Chefermittlerin die Hausdurchsuchung am 28. Februar, bei der Polizisten der "Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität" (EGS) in ihrem Büro sämtliche Datenträger konfiszierten. Neben zahlreichen vertraulichen Unterlagen habe man auch "kartonweise Musik-CDs von einem Kinderpräventionsprojekt" mitgenommen. "Ich habe ihnen nur noch gesagt, ich gratulier' Euch dazu. Das war so sinnlos, was sie mitgenommen haben", sagte die Beamtin.

Zusammenhang mit Regierungswechsel vermutet

Die Chefermittlerin hatte bereits kurz nach der mittlerweile für rechtswidrig erklärten Razzia eine Beschwerde gegen die Hausdurchsuchung eingebracht. Warum ihr Büro durchsucht wurde, konnte sich die Beamtin damals nicht erklären, wie sie sagte - und sie vermutete daher einen Zusammenhang mit dem Regierungswechsel: Sie habe sich gedacht, "jetzt ist der Tag X, von dem in der Szene immer geredet wird - wenn sie an die Macht kommen, dann hängen sie als erstes die Staatspolizei auf und als nächstes kommt die Justiz dran". Zumal die Chefermittlerin schilderte, dass sie nach dem Regierungswechsel bei Dienstreisen boykottiert worden und in sozialen Medien ihre Nähe zur SPÖ hervorgestrichen worden sei.

Als äußerst ungewöhnlich stellte die Zeugin auch die Ende Jänner (also vier Wochen vor der Razzia) gestellte Anfrage des Ministerbüros nach Ermittlungen gegen FP-nahe Burschenschaften dar. Dabei sei es nämlich um die Frage gegangen, wo verdeckte Ermittler eingesetzt werden. Ministeriums-Generalsekretär Peter Goldgruber hat die Anfrage mit der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats am 30. Jänner begründet. Die Chefermittlerin dazu: "Natürlich hat es einen Bezug gegeben zum Nationalen Sicherheitsrat, aber so eine Frage habe ich noch nie erlebt." Intern habe man dann vereinbart, keine Auskunft über verdeckte Ermittler zu geben: "Ich sorge mich wirklich um unsere Kollegen und ihre Familien."

"Chaos" durch sieben Ermittlungsverfahren

Einberufen wurde der Sicherheitsrat damals wegen der "Liederbuch-Affäre" im Niederösterreich-Wahlkampf. Damals war ein Liederbuch mit NS-verherrlichenden Texten jener Burschenschaft aufgetaucht, der auch FP-Spitzenkandidat Udo Landbauer angehörte. Dass dieses Buch vom BVT an die Medien gespielt wurde, wies die Chefermittlerin zurück. Denn das BVT habe dieses Buch damals gar nicht gehabt und erst im Rahmen der Ermittlungen ein Exemplar erhalten.

Zurückgewiesen hat die Zeugin übrigens auch die Darstellung der vom Ausschuss befragten EGS-Polizisten über das "Chaos" in ihrem Büro. Sie habe damals Akten zu sieben laufenden Ermittlungsverfahren mit 300 Beschuldigten im Zimmer gehabt und zusätzlich noch Unterlagen zu aktuellen Gerichtsverfahren: "Da kommt natürlich was zusammen."

Bei Razzia nach eigenen Aussagen bedroht

In ihrem Hausdurchsuchungsprotokoll behauptet die Ermittlerin, dass sie bedroht worden sei und man ihr geraten habe, gleich in Pension zu gehen, sonst würde man dienstrechtlich etwas gegen sie finden. Zuletzt war außerdem bekannt geworden, dass Innenministeriums-Generalsekretär Peter Goldgruber versucht haben soll, von der Ermittlerin zu erfahren, ob und gegen welche Burschenschaften ermittelt wurde.

Zweite Auskunftsperson am heutigen Tag ist der private IT-Dienstleister Andreas W., der mit zwei Mitarbeitern an der Razzia teilnahm. Als dritte und letzte Auskunftsperson muss sich Oberstaatsanwältin Ursula Schmudermayer noch einmal den Fragen der Abgeordneten stellen. Bei ihrer ersten Befragung vergangene Woche sind noch Punkte offen geblieben. Schmudermayer leitet das Ermittlungsverfahren in der BVT-Causa und hat die Hausdurchsuchung veranlasst und geleitet.