Wien. Der frühere Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Gert-Rene Polli, hält die Razzia im BVT für "überzogen". Bei seiner Befragung im Untersuchungsausschuss am Mittwoch spekulierte Polli auch, dass ausländische Nachrichtendienste an jenem ominösen Konvolut an Vorwürfen beteiligt gewesen sein könnten, das letztlich die gesamte Affäre ins Rollen gebracht hat.

Am Umgang mit der Causa übte Polli im U-Ausschuss heftige Kritik: "Das BVT ist zerstört", befand er, "wir, der ganze Ausschuss, tanzen derzeit auf der Asche des BVT". In keinem anderen Land wäre ein Ausschuss in aller Öffentlichkeit möglich gewesen, man werde aus dem Ausland genau beobachtet. Es handle sich um eine "massive Beschädigung" der Reputation des BVT und der nationalen Sicherheit. Der gesamte Komplex - die Hausdurchsuchung, die mediale Aufarbeitung und die öffentliche Zeugenbefragungen im U-Ausschuss - stößt Polli sauer auf: "Eine Katastrophe, meine Damen und Herren."

Polli leitete das BVT bis 2008, danach sei er aus mehreren Gründen ausgeschieden, wie er in seiner eher zähen Befragung schilderte. Die Funktion des BVT-Direktors sei "einer der größten Schleudersitze, die es in der Republik gibt", befand er. Aber auch wenn er die Verbindungen dorthin gekappt habe, interessiere ihn alles, was dort vorgehe, sagte Polli. "Das BVT ist nach wie vor mein Baby."

Deshalb habe ihn auch das dubiose Konvolut interessiert, das er im letzten Herbst von einem Journalisten bekommen habe, erklärte Polli. Wer dahinter steckt, konnte auch Polli nicht sagen. Er selbst habe damit jedenfalls nichts zu tun, weder als Verfasser noch Auftraggeber. Den als Autor vermuteten ehemaligen Abteilungsleiter Martin W. habe er zufällig getroffen und danach gefragt - er sei aber überzeugt, dass W. es nicht war.

Mit Kickl über Konvolut gesprochen

Dann begab sich Polli ins Reich der Spekulationen: Das Schriftbild des Konvoluts sei dem der CIA-Niederlassung in Österreich ähnlich, sinnierte er über eine Beteiligung ausländischer Dienste. Das Konvolut enthalte viel Detailwissen über politische Netze, aber auch völlig überzogene "Drecksgeschichten". Die Tendenz des Papiers sei freilich "korrekt", meinte Polli. "Ich kenne niemanden in Österreich, dem ich dieses Papier zutrauen würde."

In der Vorphase der Regierungsverhandlungen, als er die FPÖ beraten hat, habe er auch mit Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) einmal über das Konvolut gesprochen, es sei in der Partei aber schon bekannt gewesen. Auch sonst waren die Abgeordneten bemüht, Pollis Verbindungen zur FPÖ zu erkunden. Kickls Generalsekretär Peter Goldgruber kenne er nur flüchtig, seinen Kabinettsmitarbeiter Udo Lett gar nicht, gab er an. Polli hatte während seiner Karenzierung im Innenministerium aber mit seiner privaten Firma einen Konsulentenauftrag mit der FPÖ-Akademie. Dieser lief seit Juli 2017 und brachte 6.000 Euro (inklusive Steuern) monatlich, inhaltlich sei es um Informationen zur Terrorlage gegangen.

Mittlerweile arbeitet Polli übrigens wieder im - nunmehr FPÖ-geführten - Innenministerium, konkret im Migrationsbereich. Ambitionen, wieder das BVT zu übernehmen, habe er keine, versicherte Polli.

Nennt keine Günstlinge

Die weitere Befragung des früheren BVT-Chefs Gert-Rene Polli im U-Ausschuss drehte sich vor allem um ein TV-Interview, in dem er von Politgünstlingen in der Führungsetage des Verfassungsschutzes spricht. Dass er dem Untersuchungsausschuss keine Namen nennen wollte, führte zu mühsamen Unterbrechungen und Geschäftsordnungsdebatten.

Polli hatte in dem Fernseh-Interview mit dem ORF kritisiert, dass im BVT Personen in Führungspositionen gebracht worden seien, die außer dem Parteibuch keine Qualifikation aufwiesen - wer das denn sei, wollte er dem Mandatar Peter Pilz aber tunlichst nicht sagen. Zunächst wollte er sich entschlagen, auch auf die Aufforderung des Verfahrensrichters weigerte sich Polli, Namen zu nennen. Er sei loyal, überhaupt erinnere er sich nicht an die Namen. Es gehe um "zehn Akademiker", die etwa 2006 im BVT "aufgeschlagen" seien.

Als auch NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper hartnäckig blieb, zog Polli seine Aussage aus dem Interview teilweise zurück. Es sei "ein allgemeiner Eindruck" gewesen und er sei in der Formulierung übers Ziel hinausgeschossen. Eine Falschaussage wies er zurück. "Sie wissen, bei Interviews in der ZiB untersteht man nicht unbedingt der Wahrheitspflicht", erklärte Polli - um dann rasch hinzuzufügen, dass dies eine ironische, launische Bemerkung gewesen sei. Die Abgeordneten von ÖVP und SPÖ bissen ebenfalls auf Granit. "Es ist traurig, dass jemand, der BVT-Chef war, so ein schlechtes Gedächtnis hat", bilanzierte ÖVP-Fraktionschef Werner Amon.

Rüffel von Bures

Dem aktuellen BVT-Chef Peter Gridling attestierte Polli Enthusiasmus und Energie, er habe ihm leid getan. Mit der Leiterin des Extremismusreferates, Sybille G., deren Büro bei der Razzia ebenfalls durchsucht wurde, hatte Polli ein angespanntes Verhältnis - "weil sie Gleichbehandlungsbeauftragte war". G. sei eine sehr machtvolle und gescheite Frau, die eine Bilderbuchkarriere im Innenministerium hingelegt habe, jedoch habe sie zu viel Politik ins BVT gebracht, meinte Polli.

Einen Rüffel holte sich Polli von der Ausschuss-Vorsitzenden Doris Bures (SPÖ). Sie wollte dessen Kritik an dem Gremium im Hohen Haus nicht wortlos hinnehmen: Der U-Ausschuss sei "eines der wichtigsten Kontrollinstrumente", das dem Parlament zur Verfügung stehe und beruhe auf einer klaren rechtlichen Grundlage, betonte sie in Richtung Polli.