Wien. Mojtaba Tavakoli, ein 24-jähriger, dunkelhaariger junger Mann, sitzt mit einem weißen Kittel und blauen Einweghandschuhen in einem der Labore des Institute of Science and Technology (IST) in Klosterneuburg. Konzentriert und mit ruhiger Hand füllt er eine Flüssigkeit in eine Pipette. Das IST ist stolz auf sein internationales Team von Forschern aus allen Teilen der Welt. Dennoch ist Tavakoli etwas Besonderes - denn er ist ein afghanischer Flüchtling mit subsidiären Schutz in Österreich, der gerade sein Doktoratsstudium absolviert.

Die Geschichte Tavakolis ist einzigartig. Als Dreizehnjähriger floh er 2007 aus Afghanistan. Wohin, war ihm egal: "Es war nie geplant, nach Österreich zu kommen. Mir ging es nur darum, in Sicherheit zu sein." Sein Weg führte ihn über den Iran und die Türkei nach Griechenland. Wie viele Flüchtlinge nach ihm versuchte Tavakoli, Europa über den Seeweg zu erreichen.

Einfach war das nicht. Denn die EU setzt in Sachen Migration auf einen starken Schutz ihrer Außengrenzen. Zuständig für Grenzschutz und Grenzkontrollen ist neben den Nationalstaaten die Europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache (Frontex) mit Sitz in Warschau.

Zur Sicherung des Mittelmeers ist die Operation Sophia ins Leben gerufen worden. Benannt wurde sie nach einem Mädchen, das nach einer Seenot-Rettungsaktion auf einem Schiff im Mittelmeer geboren wurde. Die Aufgabe von Sophia ist es, das Schmuggeln von Menschen über das Mittelmeer zu verhindern, indem zum Beispiel Schlepper und deren Boote ausfindig gemacht werden, Boote auf der Überfahrt kontrolliert werden, Schleppernetzwerke aufgedeckt werden oder die libysche Küstenwache geschult wird.

Der ältere Bruder ertrank

Die Überfahrt Tavakolis von der Türkei nach Griechenland verlief dramatisch. Der damals 13-Jährige verlor in den Fluten des Mittelmeers seinen älteren Bruder. Nach der Ankunft in Griechenland beantragte Tavakoli Asyl. In Europa regelt formal immer noch das Dublin-Abkommen, welches Land für die Bearbeitung eines Asylverfahrens zuständig ist - nämlich jenes, in dem der Flüchtling erstmals EU-Boden betritt.

Aber spätestens seit 2015 und 2016, als laut Zahlen von Eurostat rund 2,6 Millionen Menschen in Europa Asyl beantragten, sind schwerwiegende Probleme mit dieser Regelung deutlich geworden. Ein Bericht des Migration Policy Institutes (MPI) kritisiert das Immigrationssystem der EU und erläutert die Probleme mit dem Dublin-Abkommen. Zum einen seien viele Staaten in der EU entweder unfähig oder unwillig, Flüchtlinge in ihrem Gebiet zu registrieren, indem von den Flüchtlingen Fingerabdrücke genommen und diese in der EU-Datei Eurodac gespeichert werden. Länder wie Ungarn oder die Slowakei wollen vermeiden, dass das Asylverfahren in ihrem Land abgewickelt wird. Zum anderen bekommen vor allem Anrainerstaaten des Mittelmeeres wie Italien, Spanien und Griechenland die Nachteile des Dublin-Abkommens zu spüren. Sie sind aufgrund ihrer geographischen Lage gezwungen, mehr Asylverfahren abzuwickeln und Flüchtlinge aufzunehmen als Länder im Norden.