Wien. Der sprichwörtliche Rat, nichts auf morgen zu verschieben, was man auch heute besorgen könne, ist sicher gut gemeint. Doch wer kennt diese Aufgaben und Erledigungen nicht, bei denen auf ein erstes "Oh Gott" der Zuständigen recht bald die physische wie gedankliche Verdrängung aus dem Blickfeld erfolgt? Der insgeheime Wunsch, dass man sich nie mit dieser Angelegenheit beschäftigen werde müssen, erfüllt sich jedoch selten.
Irgendwann kommt man nicht aus, irgendwann muss man dem Schrecken ins Auge sehen. Und sich beispielsweise - um ein aktuelles Beispiel heranzuziehen - mit der Datenschutzgrundversorgung der EU befassen. Diese hat alles, was Verdrängung rechtfertigt: rund 90 Seiten; fast 100 Artikel; Sätze, die nicht aufhören wollen; Begriffe, die unklar bleiben; vermutete Bedrohlichkeiten in Form neuer Vorschriften.
Vor bereits eineinhalb Jahren ist diese Verordnung in Brüssel beschlossen worden, am 25. Mai 2018 wird sie in Kraft treten. Sie gilt dann "unmittelbar", wie es heißt, bietet also keine Frist mehr, um an nationalen Gesetzen herumzubasteln. In einem halben Jahr wird auf Österreichs Unternehmen, auf größere Vereine, öffentliche Stellen und Gebietskörperschaften einiges zukommen. Hört man sich um, ist das aber noch bei Weitem nicht allen klar. Es dürfte passiert sein, was eingangs beschrieben wurde: großflächige Verdrängung.
Nicht mehr zeitgemäß
Dass die EU im Vorjahr eine verbindliche Datenschutzgrundverordnung, kurz DSGVO, beschlossen hat, hat gute Gründe. Davor hatte sie nämlich nur Mindeststandards vorgeschrieben, wobei die derzeit noch gültige Richtlinie zu einer Zeit verhandelt wurde, als Microsoft-Gründer Bill Gates das Internet als "nur ein Hype" bezeichnet hatte. Dass die Richtlinie von damals nicht mehr zeitgemäß sein kann, erscheint naheliegend.
Vor allem hatte sich aber in Europa durch die unterschiedlichen nationalen Lösungen, die eben nur einen kleinsten gemeinsamen Nenner hatten, eine Art Wettbewerb entwickelt, um Firmenansiedlungen mit laxeren Datenschutzgesetzen zu ködern. Das führte zu Verzerrungen, Rechtsunsicherheiten und war auch zum Schaden der Bürgerinnen und Bürger, wie Datenschützer beklagten.
Gemeinsam ist man stärker
Durch das Aufkommen US-amerikanischer Internet-Riesen wie Facebook, Google und Co., die Unmengen an Daten akkumulieren, wuchs der Druck für eine einheitliche Linie. Künftig müssen sich auch diese Unternehmen an die DSGVO halten, wollen sie am europäischen Markt teilnehmen.
Herausgekommen ist nun eine konzise neue Verordnung, allerdings eben auch eine von bedeutender Komplexität. "Es ist auch ein Verhandlungsergebnis zwischen den einzelnen Europäischen Mitgliedstaaten, dem Parlament und der Kommission", sagt Helmut Liebel, Partner bei Eisenberger & Herzog und mit der Materie vertraut. Zu seinen Aufgaben gehört es unter anderem auch, Unternehmen über die neue Verordnung zu informieren. "Und da sind schon viele überrascht", sagt er. Die größeren Betriebe seien dabei in der Regel besser vorbereitet als kleinere.