Brüssel/NewYork. (afp/dpa/red) Datenschutz gleich Wachstums- und Innovationsbremse. Diese Formel galt lange im Silicon Valley. Die kalifornische Tech-Branche pochte darauf, frei agieren zu können, schließlich basiert der Großteil des Erfolgs von Google, Facebook, Amazon und Co. auf dem Geschäft mit Daten. Die Konzerne erwirtschaften enorme Gewinne und schaffen Arbeitsplätze, dafür hält sich die Politik weitestgehend raus, so in etwa lautete die Abmachung zwischen dem Valley und Washington. Und kam es doch zu Versuchen, striktere Regeln einzuführen, etwa 2016 von der US-Telekommunikationsaufsicht FCC, wurden diese von Lobbyisten erfolgreich abgeschmettert.
Doch ausgerechnet Europa kann jetzt für ein Umdenken in den USA sorgen. Grund ist die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die am Freitag in Kraft tritt und einheitlich für bessere Bedingungen sorgen soll - auch im Zusammenspiel mit den großen US-Konzernen. Denn die DSGVO gilt nicht nur für in der EU ansässige Unternehmen. Kriterium für die Anwendung ist das Marktort-Prinzip: Anbieter, die sich an Konsumenten in der EU wenden, unterliegen den europäischen Datenschutzregeln, auch wenn der Konzern seinen Hauptsitz etwa in den USA hat.
"Glücklicherweise wird das EU-Gesetz auch den Amerikanern auf gewisse Weise helfen", schreibt der demokratische Politiker und ehemalige FCC-Chef Tom Wheeler in der "New York Times". "In einer vernetzten Welt, in der der digitale Code geografische oder nationale Grenzen missachtet, wird das sicher positive globale Auswirkungen haben."
Laut Sam Pfeifle von der US-Organisation International Association of Privacy Professionals werden einige US-Unternehmen keine Wahl haben: "Für manche ist es zu schwierig, die Daten ihrer Kunden gemäß ihrer Herkunft zu sortieren." Der Aufwand würde sich nicht lohnen, alle Kunden und Nutzer werden deshalb wahrscheinlich die europäische Behandlung erfahren.
Keine einheitliche Linie
Einige Unternehmen nutzten diese pragmatische Entscheidung auch als Marketinginstrument: "Sie verkaufen die Einhaltung der europäischen Vorschriften als Bekenntnis zum Datenschutz", analysiert Pfeifle. Vorreiter dieser Bewegung ist Microsoft. "Wir glauben, dass Datenschutz ein fundamentales Menschenrecht darstellt", sagt Vizepräsidentin Julie Brill. Ihr zufolge wolle Microsoft einige Regelungen der DSGVO auch außerhalb Europas einhalten. Konkret gehe es um die Rechte von Konsumenten, deren Daten von Anbietern erfasst und verarbeitet werden, schreibt das Branchenportal "t3n".
Microsoft-Chef Satya Nadella erklärte das Unternehmen zum moralischen Anführer der digitalen Industrie. Zugute kommt ihm dabei, dass Microsoft auf die modernisierte Version seines traditionellen Bezahlmodells setzt.
Google und Facebook bestreiten ihr Geschäft mit Online-Werbung. Sie brauchen Nutzerdaten und sind dementsprechend weniger enthusiastisch. Unter öffentlichem Druck steht insbesondere das soziale Netzwerk seit dem Cambridge-Analytica-Skandal; bei der Firma landeten die Daten von 87 Millionen Facebook-Nutzern.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg kündigte daher an, die gleichen Datenschutzeinstellungen für alle Nutzer verfügbar zu machen. Allerdings könnte es Unterschiede bei der praktischen Umsetzung geben, fügte er hinzu.
Andere Unternehmen lehnen es hingegen rundweg ab, sich der EU-Verordnung zu unterwerfen, und drohen an, europäische Kunden mit Inkrafttreten der DSGVO abzuweisen. Prominentes Beispiel dafür ist die südkoreanische Online-Gaming-Plattform Ragnarok.