Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) geht am heutigen Mittwoch in Begutachtung. Damit wird ein großes Gesetzespaket auf den Weg geschickt, dass von der E-Wirtschaft lange herbeigesehnt wurde. Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) sieht darin einen "zentralen Baustein" für die Erreichung des Ziels, bis 2030 100 Prozent des Stroms in Österreich aus Wasser, Sonne, Wind und Biomasse zu stemmen. Das Gesetz soll neben Klimaschutz aber auch heimische Wertschöpfung und Arbeitsplätze schaffen, so Gewessler bei der Präsentation vor Journalisten.





Die Regierung will die Ökostromförderung grundlegend reformieren. Bereits Anfang Dezember 2018 hat die türkis-blaue Regierung eine Punktuation zum EAG 2020 beschlossen. Nach der Ibiza-Affäre und dem vorzeitigen Ende der Regierung, landete der Entwurf in der Schublade. Die türkis-grüne Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 bilanziell 100 Prozent des Stromverbrauchs durch Erneuerbare Energie zu decken, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Bis 2030 sollen so bis zu 10 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Das Gesetz soll den Ausbau und die Förderung von Windkraft, Photovoltaik (PV), Biomasse und Wasserkraft auf neue Beine stellen, um planbare Bedingungen für Unternehmen der E-Wirtschaft zu schaffen.




Am 1. Jänner 2021 soll das EAG in Kraft treten. Der Gesetzesentwurf geht heute, Mittwoch, in Begutachtung. Dieser Prozess wird etwa sechs Wochen dauern. Um verabschiedet zu werden, braucht das Gesetz eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat und im Bundesrat – weil Energie Ländersache ist. Zum Schluss muss das Gesetz noch von der EU notifiziert werden.




Rund 72 Prozent der elektrischen Energie entstehen bereits heute aus Sonnen-, Wind- und Wasserkraft (55 TWh). Bis 2030 sollen insgesamt 27 TWh dazukommen: Davon entfallen 11 TWh auf PV, 10 TWh auf Wind, 5 TWh auf Wasserkraft und 1 TWh auf Biomasse. Zum Vergleich: Insgesamt liegt der Stromverbrauch in Österreich bei etwa 70 TWh pro Jahr. Der Ausbau ist eine enorme Herausforderung. Denn die Regierung hat sich etwa zum Ziel gesetzt, eine Million Dächer in Österreich mit PV-Anlagen auszustatten. Pro Jahr müssten also 100.000 PV-Anlagen installiert werden, 400 täglich. Alle drei Tage müsste etwa ein neues Windrad aufgestellt werden.




Eine Milliarde Euro pro Jahr sind für den Ausbau vorgesehen, bis 2030 sind so insgesamt zehn Milliarden veranschlagt. 30 Milliarden an Investitionen werden zudem geschätzt ausgelöst. Gefördert werden die Technologien künftig auf einheitlich 20 Jahre (bisher waren es 13 Jahre). Das Geld kommt über die Ökostromabgabe der Haushalte herein. Ein Haushalt zahlt hierfür derzeit im Schnitt 90 Euro pro Jahr. Verdreifacht sich der Ausbau wie geplant, würden sich die Ökostromkosten erhöhen. Das Bundesministerium veranschlagt die aktuellen Kosten bei 120 Euro im Jahr, laut Gewessler soll die Belastung künftig in etwa gleich bleiben. Das EAG soll auch sozial verträglich sein. Die Arbeiterkammer (AK) fordert deshalb einen Kostendeckel von rund 100 Euro einzuführen. Derzeit verbrauchen die Haushalte knapp ein Viertel des Stroms, sie tragen rund 41 Prozent der Kosten. Daneben fordert die AK, dass einkommensschwache Haushalte weiter von den Ökostromförderkosten befreit bleiben. Ende 2019 waren von der GIS Gebühren Information Service rund 130.000 Ökostrombefreiungen ausgestellt worden.




Die Förderungen sollen effektiver, effizienter und maßgeschneidert werden. Drei Arten sind für Anlagenbetreiber vorgesehen: Invest-Förderungen für kleinere Anlagen im Bereich PV/Speicher, Wind- und Wasserkraft. Sowie wettbewerbliche Marktprämien für große Anlagen (PV/Speicher, Wind, Biomasse), sowie eine festgelegte administrative Marktprämie ebenfalls für große Kraftwerke (Wind, Wasser, Biomasse, Biogas). Gefördert werden künftig Anlagen bis 20 KW bei PV, bisher lag die Grenze bei 5 KW. Für Private PV-Anlagenbetreiber gilt weiterhin bei Ausschreibungen, wer zuerst kommt, malt zuerst. Allerdings soll es künftig mehrere Termine im Jahr geben.




Österreich ist das erste Land, dass das Modell der Energiegemeinschaften gesetzlich implementiert. Konsumenten sollen so zu Produzenten und Teilhabern werden. Jedes Haus, jede Gemeinde, Gemeinschaft oder Bauernhof kann so ein Kraftwerk werden und sich selbst und andere mit Strom versorgen. Genossenschaften, Vereine oder gemeinnützige Kapitalgesellschaften machen dies künftig möglich.




Hunderte Windräder, flächendeckende PV-Anlagen, noch mehr Wasserkraftwerke: Der Ausbau der Erneuerbaren wird das Landschaftsbild verändern. Das erzeugt bereits jetzt Widerstand. In Kärnten gibt es Proteste gegen Windparks auf Bergrücken. Im Waldviertel befürchtet eine Bürgerinitiative wegen eines Windrad-Projekts negative Auswirkungen auf die Vogelwelt. Beim Ausbau der PV-Anlagen will Gewessler den Fokus verstärkt auf Gebäude, Deponieflächen und bereits versiegelte Flächen legen. Anlagen auf Freiflächen oder Grünflächen bekommen einen Abschlag bei der Förderung. Das Potenzial für Wasserkraftwerke gilt als limitiert, es gibt kaum Stellen für große Kraftwerke. Jedes neu gebaute Kraftwerk greift erheblich in natürliche Lebensräume ein, Umweltschützer stehen schon in den Startlöchern.




Klimaökonom Stefan Schleicher vom Wegener Center für Klima und Globalen Wandel kritisiert, dass der Ausbau der Erneuerbaren viel zu kurz gedacht sei. "Ein Minimum wäre, das EAG und die Novellierung des Energieeffizienzgesetzes gleichzeitig zu behandeln", sagt Schleicher. Es bräuchte ein Konzept für die Umstellung des gesamten Energiesystems in Österreich. "Elektrizität macht nur ein Fünftel des Energieverbrauchs aus", sagt der Klimaökonom. Man müsste die Gebäudesanierung, Mobilität und die industrielle Produktion mitdenken. "Wenn in Zukunft bei der Stahl- und Zementherstellung Wasserstoff zum Einsatz kommt, habe ich ganz andere Anforderungen an die Energiesysteme", erklärt er.