Die Energiewende wird eine Herkulesaufgabe. Solaranlagen, Windräder und Wasserkraftwerke liefern heute bereits 73 Prozent der heimischen Elektrizität. Der Strom in Österreich soll aber zu 100 Prozent klimaneutral produziert werden. Weniger als zehn Jahre bleiben dafür Zeit. Photovoltaik (PV) muss den Großteil zur Energiewende beisteuern. Im ganzen Land, auf hunderttausenden Hausdächern, auf Deponien, Parkplätzen und Lärmschutzwänden müssen PV-Anlagen installiert werden. Man wird jedoch auch nicht um große Anlagen auf Freiflächen wie Wiesen und Feldern herumkommen. Denn nur so erreicht man die gigantische Zahl von 11 Milliarden zusätzlichen Kilowattstunden – das Sechsfache der derzeit errichteten PV-Leistung.
Photovoltaik hat viele Vorteile. Die Sonne liefert gratis Energie für sauberen Strom. PV-Module lassen sich fast überall installieren. Die Technologie wird ständig effizienter und günstiger. Fachkräfte wie Monteure sind gefragt. Dadurch könnten tausende Arbeitsplätze entstehen.
Doch der Ausbau wird gebremst. Von zu wenig Förderungen, die nach wenigen Tagen vergriffen sind. Von der Regierung, die sich mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz zu viel Zeit lässt. Von Bundesländern, die mit bürokratischen Hürden die Errichtung erschweren.
Es gibt zwei Millionen Dächer in Österreich. Theoretisch müsste jedes zweite Dach mit PV-Modulen ausgestattet werden. Doch selbst dann reicht es nicht für 100 Prozent grünen Strom. Laut einer Studie im Auftrag von Österreichs Energie müssen von 11 Terrawatt (TW) rund vier bis fünf TW auf Dächern installiert werden. Der Rest lässt sich nur durch Freiflächen-PV verwirklichen. Wo diese Anlagen errichtet werden, regelt die Raumordnung. Und diese ist Ländersache. Sie geben Raumordnungsprogramme vor, die Gemeinden entscheiden, wie eine Fläche gewidmet wird.
Zonierung verzögert Ausbau
Und genau hier trifft die Energiewende auf Widerstand. In Niederösterreich hat die Landesregierung im Herbst 2020 eine Novelle des Raumordnungsgesetzes beschlossen. Sie beinhaltet eine Vielzahl an Regelungen, die Umweltschutz und eine Reduzierung des Bodenverbrauchs zum Ziel haben. So werden etwa künftig Neuwidmungen eingeschränkt und Parkplätze bei Supermärkten begrenzt. Und auch für Photovoltaik-Anlagen auf Freiflächen gibt es strengere Kriterien. PV-Projekte, die größer als zwei Hektar sind, dürfen nur in dafür festgelegten Zonen errichtet werden. Bevorzugt sollen sie aber auf bestehenden Dächern, Lagerhallen und alten Deponien entstehen.
Beim Branchenverband Photovoltaik Austria sieht man die Pläne des Bundeslandes kritisch. Man befürchtet, dass der notwendige PV-Ausbau in Niederösterreich um bis zu fünf Jahre verzögert wird. Die Raumordnungsnovelle sei eine zusätzliche Hürde für die Energiewende. "Das Problem ist, dass viele PV-Projektentwickler nicht wissen, ob ihre Projekte in der Zone liegen", sagt Vera Immitzer, Geschäftsführerin des PV-Verbandes. Bereits eingereichte Projekte für Photovoltaik-Anlagen liegen nun auf Eis. Investitionen könnten umsonst sein.
"Die Raumordnung hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht", sagt Claudia Pasteiner, Projektmanagerin für den Bereich Solar bei Ecowind, einer 100-prozentigen Tochter des deutschen Baywa-Konzerns. Das Hauptgeschäft von Ecowind ist die Errichtung von Windparks, 2018 hat man das Portfolio um Solarparks erweitert. Der Fokus liegt auf Freiflächen-PV mit zehn Hektar, einer Fläche, die rund 14 Fußballfeldern entspricht.
Betreiber hängen in der Luft
Zehn bis 15 Photovoltaik-Projekte in unterschiedlichen Entwicklungsstadien sind von der Zonierung in Niederösterreich betroffen. Bis diese abgeschlossen ist, können Monate, wenn nicht sogar Jahre vergehen. Laut Land Niederösterreich gibt es eine Frist bis Ende 2023. Ecowind hat bereits mit Grundstückseigentümern verhandelt und mit Gemeinden gesprochen. Derzeit könne vonseiten der Gemeinde keine Umwidmung stattfinden. Projekte sind gestoppt. "Wir wissen nicht, welche Flächen überhaupt für Photovoltaik freigegeben werden", sagt Pasteiner.
Stillstand herrsche keiner, versichert sie, man versuche, sich bestmöglich vorzubereiten. Doch es gibt einen gewissen Unsicherheitsfaktor, weil Ecowind in Vorleistung gegangen ist. "Wenn ein Projekt nicht in eine ausgewiesene Zone fällt, ist es fürs Erste gelaufen", sagt sie. Auf wie vielen Kosten Ecowind dann sitzenbleibt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa, mit wie vielen Grundstückseigentümern man verhandelt. "Es geht um mehrere Hunderttausend Euro, die investiert werden", sagt die Projektmanagerin.
Die Zonierung verzögert den Ausbau enorm. Bis eine Photovoltaik-Anlage fertiggestellt ist, vergehen im Schnitt zwei bis drei Jahre. "Jetzt ist alles noch schwieriger. Wenn die Zonierung volle zwei Jahre dauert, wirft uns das zurück", sagt Pasteiner. Derzeit bleibe dem Unternehmen nichts anderes übrig, als abzuwarten.
Die Raumordnung hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht
Nicht nur Ecowind ist von der Zonierung betroffen. "Der Widmungsstopp hat uns auf Null zurückgeworfen", sagt Markus Winter, technischer Geschäftsleiter der Windkraft Simonsfeld, einem der größten Windkraftproduzenten Österreichs. Das Unternehmen setzt auch auf Photovoltaik, bereits vorhandene Netzanschlüsse von Windrädern erleichtern den Ausbau. Rund zehn Projekte mit Leistungen von zehn bis 40 Megawatt sind in Niederösterreich geplant – und warten nun auf ihre Freigabe. Neue Mitarbeiter wurden angestellt, laut Winter seien bereits viele Vorkosten angefallen.
Flächen werden gebraucht
Ob im sektoralen Raumordnungsprogramm, wie die Zonierung offiziell heißt, überhaupt größere Freiflächen für Solarmodule ausgewiesen werden, ist unsicher. Photovoltaik auf Dächern und versiegelten Flächen habe absoluten Vorrang, betont man beim Land Niederösterreich. Der Plan ist, in jeder Gemeinde durchschnittlich 250 PV-Anlagen auf Einfamilienhäusern, Schulen, Supermärkten und 20 Betrieben zu installieren. Mit dieser Leistung und maximal ein bis zwei Hektar in der Freifläche würde man ausreichend sauberen Strom erzeugen können, heißt es aus dem Büro von Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP). Derzeit werde analysiert, wo es minderwertige Flächen und eine geeignete Infrastruktur gibt, sprich Umspannwerke, um den erzeugten Strom auch weitertransportieren zu können.
Wir dürfen bei 11 Gigawatt nicht stehenbleiben. Vielleicht brauchen wir irgendwann sogar 25 oder 35 GW PV
Die Photovoltaik-Betreiber fordern, dass die Flächen rasch gekennzeichnet, Projekte zügig genehmigt werden. "Alle sollten dahinterstehen, die Ziele bis 2030 zu erreichen. Man darf keine zusätzlichen Barrieren schaffen", sagt Projektplanerin Pasteiner. "Niederösterreich braucht eine Verzehnfachung der PV-Flächen. Das wird man mit Dachflächen allein nicht stemmen können", ist Winter überzeugt.
Unbestritten ist, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien notwendig ist. Nur so sinken die CO2-Emissionen, der Klimawandel kann zumindest gebremst werden. Gleichzeitig darf der Ausbau selbst nicht zu sehr in die Natur eingreifen. "Man muss auf die Verträglichkeit achten. Auch erneuerbare Energien haben einen, wenn auch vergleichsweise kleinen, ökologischen Fußabdruck", sagt Hubert Fechner, Leiter des Instituts für Erneuerbare Energien an der FH Technikum Wien. Dennoch ist er davon überzeugt, dass man in Zukunft große Freiflächen-Anlagen brauchen wird. "Wir haben eine starke Wende hin zum Strom. Wir dürfen bei 11 Gigawatt nicht stehenbleiben. Vielleicht brauchen wir irgendwann sogar 25 oder 35 GW PV."