Er ist einer der großen Filmemacher Russlands, der sowohl daheim wie auch international gedreht hat und dabei vom Kunstkino bis zum Mainstream (etwa der Actionfilm "Tango & Cash" mit Sylvester Stallone) kein Genre ausgelassen hat. Andrej Konchalovsky, inzwischen 83 Jahre alt und früher kongenialer Partner von Andrej Tarkowski, mit dem er mehrere Filme umsetzte, ist immer noch voller Tatendrang und sagt: "Die Arbeit ist mir ein Bedürfnis, ich kann gar nicht ohne".
In Venedig zeigt Konchalovsky sein neuestes Werk, ein in Schwarzweiß und im 4:3-Format gedrehtes Drama um verschwiegene Verbrechen in der früheren Sowjetunion. In Nowotscherkassk wurden 1962 Unruhen von Demonstranten blutig niedergeschlagen, das Militär schoß auf die eigene Bevölkerung, jedoch: Nach dem Vorfall gelang es den Protagonisten, den Vorfall gänzlich zu vertuschen: Niemand sprach mehr über das Blutbad, das Chruschtschow höchstselbst angeordnet hatte, und inmitten dieser abscheulichen Konstellation stellt Konchalovsky mit Lyudmila (Julia Vysotskaya) eine linientreue Kommunistin auf die Probe. Deren 18-jährige Tochter verschwindet bei dem Massaker scheinbar spurlos, und Lyudmila beginnt, am absoluten Gehorsam und am Kampf für den Kommunismus zu zweifeln.
"Es geht in dem Film gar nicht so sehr um den Vorfall an sich", sagt Konchalovsky im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" in Venedig. "Ich wollte vielmehr zeigen, wie das Weltbild dieser Frau zu bröckeln beginnt, als sie mitbekommt, wie der Kommunismus, an den sie bedingungslos geglaubt hat, zu zerfallen beginnt". Nichts anderes sei nämlich bereits damals passiert: "Die Menschen, die an der Spitze der UdSSR standen, aber auch die Parteimitglieder im Mittelbau, waren allesamt verleitet zur Korruption, viele wollten gar nicht die Ideale des Kommunismus leben, sondern hatten lieber die Taschen voller Geld und einen Mercedes vor der Tür. Daran ist dieser Staat gescheitert, weil er von innen heraus von seiner Gier zerfressen wurde", sagt Konchalovsky.
Einen konkreten Vorwurf an die ehemalige Sowjetunion will Konchalovsky in seinem Film allerdings nicht erkennen. "Es ist kein spezifisch russisches Verhalten. Wenn man ehrlich ist, hat sich jeder Staat auf dieser Erde schon wirklich miserabel benommen".