Giuliano Gemma war ein schöner Mann. Und nicht nur deshalb ein italienischer Filmstar. Er drehte Western, stieg in seiner Heimat zur Ikone auf. Seine Tochter Vera verwaltet ein schweres Erbe. In ihrer Familie war es immer en vogue, hübsch auszusehen, adrett dazustehen und - einfach Filmstartochter zu sein. Tizza Covi und Rainer Frimmel ("La Pivellina", "Aufzeichnungen aus der Unterwelt") haben über Vera einen Film gemacht, mit ihr in der - man muss es so sagen - "Hauptrolle". Ein semidokumentarisches Porträt einer Frau, das auch inszeniert ist, mit genauem Drehbuch, weil Vera in Italien auch ein Showstar ist, und man nie genau weiß, was sie spielt und was ist.

Doch "Vera", der in Venedig in der Sektion "Orizzonti" uraufgeführte neue Film des Paares Covi/Frimmel, ist mehr als ein Porträt: Es verhandelt auch den Schönheits-Begriff, der Italien in seiner ganzen Pracht immer wieder in Beschlag nimmt - von der Misswahl im TV bis zur Bellezza in den Frauenmagazinen.

Vera Gemma (links) ist der Star in "Vera". 
- © La Biennale di Venezia

Vera Gemma (links) ist der Star in "Vera".

- © La Biennale di Venezia

"Wir haben Vera als Person sehr schnell in eine Ecke gestellt", sagt Tizza Covi beim Interview mit der "Wiener Zeitung" in Venedig. "Denn wie Vorurteile eben sind, man entkommt ihnen zu einem gewissen Grad nicht". Doch das Filmer-Paar ist reflektiert genug, nicht in die Falle zu tappen, aus "Vera" eine Ansammlung von Klischees zu einem Film zu montieren, sondern: Man hat hier den Eindruck, dass die Persönlichkeit dieser Figur in allen Facetten abgebildet wird. Es gibt vage fiktionale Handlungsstränge in "Vera", aber hauptsächlich ist der Film schon auch ein Porträt dieser Frau, die sich auf Castings bewirbt, dabei keinen Erfolg hat und versucht, die Legendenbildung rund um ihren Vater zu verarbeiten. 

"Vera lebt im Schatten ihres Vaters, und sie lebt ein Leben, das typisch ist für die Gegend um die Via Condotti in Rom", sagt Rainer Frimmel. "Das ist ein gewisser Anspruch, den sie hat, zugleich ist sie sehr demütig. Letztlich ist sie ein Kind der High Society Roms". Dennoch ist Vera Gemma auch eine Überlebende des Systems, die sich mit harten Bandagen und Schönheits-OPs den eigenen Status erarbeitet hat. 

Der feinfühlig inszenierte Film besticht vor allem durch seine intensive Nähe zur Protagonistin Vera, die sich den Filmemachern gänzlich zur Verfügung stellt. Das hat - wenn man Vera Gemmas Background einbezieht - etwas Nahbares und Künstliches zugleich. Das betrifft auch Veras optimiertes Aussehen. Tizza Covi: "Die Frage nach der ewigen Schönheit ist gerade im Milieu des italienischen Fernsehens und teilweise auch Kinos immanent. Und man kann es nur falsch machen: wenn man sich nicht operieren lässt, gehört man bald zum alten Eisen, und wenn man sich zu viel optimieren lässt, hat man es nach schlechten Resultaten noch schwerer, wir alle kennen ja die vielen "Vorher-Nachher" Fotos von berühmten Schauspielerinnen im Internet". 

Insofern ist "Vera" auch die Erforschung der italienischen Seele. Und ein ganz spannender Film über Sein und Schein und die Graubereiche dazwischen.