
Hunderttausende Tote, Millionen auf der Flucht: Seit fünf Jahren tobt in Syrien ein grausamer Bürgerkrieg. Laut jüngster UNO-Schätzung leben rund 600.000 Menschen in belagerten Städten, die einstige Großstadt Aleppo nicht mitgerechnet. Ein Ende der Gewalt ist bisher nicht in Sicht. Im Gegenteil, immer mehr Parteien mischen im Krieg mit. Zuletzt die Türkei mit einem umstrittenen Militäreinsatz in Nordsyrien.
Doch welche Rolle spielt die Europäische Union eigentlich in diesem Konflikt bzw. welche Rolle kann sie überhaupt spielen? "Die EU spielt eine große Rolle, aber keine politische", sagt Carola Van Rijnsoever, niederländische Repräsentantin beim Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee der EU beim Europäischen Forum Alpbach. Die EU wolle den Krieg in Syrien beenden, doch der Beitrag dazu beschränkt sich bisher hauptsächlich auf humanitäre Hilfe. So hat die EU im Haushalt von 2016 445 Millionen Euro für die Opfer der Syrienkrise eingeplant – fast die Hälfte des gesamten Budgets für humanitäre Hilfe.
Das Hauptproblem der EU sei allerdings, dass es keine gemeinsame Position zu Syrien gebe. "Je weniger Einigkeit besteht, desto schwächer ist man", sagt Jan Kickert, österreichischer Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York. Eine wirkliche Lösung sei Van Rijnsoever zufolge jedoch nur in enger Partnerschaft mit den Vereinten Nationen zu finden.
Sicherheitsrat gelähmt
Und gerade dort hackt es. "Der UN-Sicherheitsrat ist von den USA und Russland gelähmt", sagt Kickert. Sowohl die USA als auch Russland können im Sicherheitsrat ein Veto einlegen. Dieses Patt würde auch auf die Nahost-Region abfärben, so der Diplomat. Der Krieg in Syrien sei längst ein sogenannter "proxy-war", ein Stellvertreterkrieg. Der Iran und die Hisbollah unterstützen das Regime von Baschar al-Assad, die USA bieten gemäßigten Rebellengruppen und den Kurden militärische Hilfe, die Türkei wiederum kämpft gegen die Kurden. Gemeinsamer Feind ist derzeit nur die Terrororganisation "Islamischer Staat".
Nick Westcott, Leiter für den Nahen Osten und Nordafrika beim Europäischen Auswärtigen Dienst, sieht die vielen regionalen Mächte und damit verbundenen Interessen als Haupthindernis in der Lösung des Konflikts. Saudi-Arabien, der Iran und die Türkei würden sich den Krieg in Syrien zunutze machen, so Westcott. "Diese externen Einflussfaktoren halten den Konflikt am Laufen." Früher oder später müssten sich die Parteien aber wieder an einen Tisch sitzen und miteinander sprechen. Dorthin gelange man nur, indem man "diplomatischen Druck" ausübe. Westcott sieht hier die EU-Außenbeauftrage Federica Mogherini gefordert. Für sie kommt allerdings nur ein politischer Übergang und Gespräche mit der UN infrage, den blutigen Konflikt zu stoppen. Regionale Organisationen, die Einfluss auf den Konflikt haben, wären für Westcott ein probates Mittel. "Wir brauchen eine Art OECD für den Nahen Osten."
Keine Lösung des Konflikts sieht indes Katharina Natter in weiteren Waffenlieferungen an Konfliktparteien des Bürgerkriegs. "Früher oder später gelangen die Waffen in die falschen Hände", sagt die Soziologin und Politikwissenschafterin von der Universität Amsterdam.