Mexiko-Stadt/Washington. Die Hälfte der Grenze zwischen den USA und Mexiko wird von einem mächtigen Fluss bestritten. Sein Name ist bezeichnend dafür, wie unterschiedlich ihn seine Anwohner wahrnehmen. Die US-Amerikaner im Norden nennen ihn fantasielos Rio Grande, den großen Fluss.

Die Lateinamerikaner im Süden nennen ihn Rio Bravo, den mutigen Fluss. Denn es erfordert viel Mut, ihn zu bezwingen. Mut zur Überfahrt, den die im Norden nicht aufbringen müssen.

Es gibt unzählige Möglichkeiten, die dreitausend Kilometer lange Grenze zwischen den USA und Mexiko zu überqueren. Per Flugzeug oder per Auto. Tausende Waren passieren die Grenze täglich, um in Mexiko billig Produziertes in den USA zu verkaufen.

Doch viele Migranten überqueren die Grenze zu Fuß. So oder so. Im Jargon der Ämter: geregelt oder ungeregelt. Im Jargon der Politik: legal oder illegal.

Will heißen: Entweder sie versuchen, einen Asylstatus zu bekommen, etwa einen humanitären Aufenthalt wegen der katastrophalen Situation in ihrem Heimatland - oft in Mittelamerika. Dazu müssen die Migranten aber eine offizielle Stelle aufsuchen.

Oder sie versuchen es über Schleichwege, bezahlen Schleuser, die sie durch die Gebirge lotsen. Dort, wo die USA noch keine Mauer errichten konnten. Sei es aus Geldmangel oder aufgrund einer verzwickten gesetzlichen Lage. In Naturschutzgebieten ist die Errichtung von festem Bauwerk zum Beispiel verboten. Und indigene Reservate an der Grenze wollen ebenfalls keine Mauer auf ihrem Grund und Boden dulden.

Ansonsten versuchen die Migranten von Zeit zu Zeit, den Grenzzaun zu bezwingen. Oder sie wagen die Überquerung des Flusses, der manchmal mehr, manchmal weniger reißend ist. Die seichteren Stellen werden besonders gut bewacht.

Früher konnten Migranten eine der zahlreichen Brücken überqueren, die die beiden Länder verbinden, und auf der anderen Seite um Asyl ansuchen. Doch diese Politik ist mit US-Präsident Donald Trump vorbei. Asyl bekommt nur jemand, der in Mexiko wartet.

Familie versuchte die geregelte Migration in die USA

Óscar Martínez Ramírez, seine Ehefrau Tania und seine Tochter Valeria warteten seit zwei Monaten in einem dieser Flüchtlingslager im mexikanischen Matamoros. Es war heillos überfüllt, vor einem Monat wurde das zweite Lager in der Stadt geschlossen, nun konzentrierte sich alles auf "Puerta México", wo auf 2000 Asylanträge im Monat drei Termine beim Amt pro Woche kommen. Zu selten werden die US-Behördenvertreter im Lager vorstellig. Zu langsam geht es voran.

Die Familie hielt es bei konstanten Temperaturen von 45 Grad nicht mehr länger im Lager aus, verzweifelt, so erzählt die überlebende Ehefrau, versuchten sie, den Rio Bravo zu überqueren. Vater und Tochter starben bei der Überfahrt, die Mutter blieb am mexikanischen Ufer zurück. Es ist ein trauriges Schicksal, aber nur eines von vielen: Auf der Fluchtroute über die Grenze zwischen den USA und Mexiko sind nach Schätzungen der UN-Organisation für Migration (IOM) in der ersten Jahreshälfte 2019 mindestens 170 Menschen ums Leben gekommen. Im gesamten Jahr 2018 gab es IOM zufolge dort 439 Tote.

Diejenigen, die die Grenze passieren, haben es aber noch längst nicht geschafft. Entweder sie fallen dem weiteren Weg zum Opfer - etwa beim Transit durch die Wüste Texas, ein Landstrich, der "Death Valley" genannt wird.

Oder sie werden von den US-Behörden aufgegriffen und in eines der - ebenfalls heillos überfüllten - Lager auf der US-Seite gebracht.

Die Grenzpolizei ist dabei vor allem mit den unbegleiteten Minderjährigen überfordert, die inzwischen ebenfalls in Einrichtungen gesteckt werden. Das Auffanlager in Clint für Kinder ist in die Schlagzeilen gekommen wegen skandalösen hygienischen und humanitären Zuständen. Kindern wurde dort zur Strafe etwa die Bettwäsche weggenommen. Mitarbeiter der Einrichtung gingen von sich aus an die Medien.

Am Dienstag hat nun der kommissarische Chef der US-Zoll- und Grenzschutzbehörde (CBP), John Sanders, nach nur zwei Monaten im Amt seinen Rücktritt angekündigt. Er hatte die Leitung der Behörde übernommen, nachdem Grenzschutzchef Kevin McAleenan zum US-Heimatschutzminister nominiert worden war.