Ein riesiges Kreuzfahrtschiff quetscht sich in den Hafen von Maltas Hauptstadt Valletta. Hunderte Passagiere strömen heraus wie Ameisen aus ihrem Bau. 2018 besuchten 13 Prozent mehr Touristen die Insel als im Jahr davor. In Summe 2,6 Millionen - sechs Touristen pro Einwohner. Die Branche jubelt.
Maltas Straßen sind notorisch verstopft. Auf 1000 Einwohner kommen 613 Autos. Alle Malteser wollen motorisiert sein. Täglich, so eine häufig zitierte Statistik, würden 40 neue Wagen zugelassen. Die Wirtschaft boomt. Im Jahr 2018 legte das Bruttoinlandsprodukt um 6,7 Prozent zu. Maltas Wirtschaft wächst schneller als im Rest der EU. Die Baubranche reibt sich die Hände. Jeder Flecken der Insel wird verbaut. Ein Betonklotz reiht sich an den nächsten. Dutzende Baukräne wachsen in den blauen Himmel.

Die Arbeitslosigkeit ist historisch niedrig, die Kriminalität sinkt. Malta geht es prächtig. Von einer Krise keine Spur. Und doch wächst auf der wohlhabenden Insel stets die Angst, es würde zu eng werden. Nicht wegen der Touristen, nicht wegen der vielen Autos und auch nicht wegen der Baukräne. Sondern wegen der Flüchtlinge.

Malta liegt exponiert: An der Insel führt eine der Hauptmigrationsrouten aus Nordafrika vorbei. Die Entfernung zu Libyens Küste beträgt nur 360 Kilometer. Jede Woche rettet das Land Flüchtlinge aus dem Meer oder übernimmt sie von NGO-Schiffen. Doch der kleinen Insel werden es zu viele. Die EU kann sich nicht auf eine gerechte Verteilung einigen. Malta fühlt sich im Stich gelassen.
2001 landete das erste Boot

Malta hat 430.000 Einwohner. Sie zwängen sich auf 316 Quadratkilometern - eine Fläche, die kleiner als Wien ist. Malta zählt deswegen zu den am dichtesten besiedelten Staaten der Welt. 2045 neue Asylanträge gab es vergangenes Jahr. Die Zahl mag klein wirken, doch für das Land stellt sie eine große Herausforderung dar. Denn nach Zypern und Griechenland nahm Malta im Verhältnis zur Einwohnerzahl die meisten Asylwerber auf. Auf tausend Einwohner kommen 4,75 Asylwerber - in Österreich sind es 1,3. Verträgt das kleinste Land der EU überhaupt noch mehr Flüchtlinge?

Die Themen Flucht und Migration gehören schon lange zum Alltag auf Malta - lange bevor Europa mit der Migrationskrise zu kämpfen hatte. Das erste größere Boot mit 57 Flüchtlingen gelangte 2001 auf die Insel. Damals hatten die Malteser viel Sympathie für die Geretteten. Heute empfänden sie Indifferenz und Xenophobie, sagt Herman Grech, Chefredakteur der liberalen Tageszeitung "Times of Malta". Grech war dabei, als die ersten Schiffe kamen. Er befürwortet die Aufnahme und Integration und er tritt für Menschenrechte ein. Doch seine Haltung gilt auf Malta inzwischen als unpopulär. Die Situation im Mittelmeer sei unmenschlich, daran bestehe kein Zweifel. "Die Menschen nach Libyen zurückzuschicken, ist jedoch keine Lösung. Das wäre unverantwortlich", sagt Grech. Deshalb kann er die Regierung verstehen. Sie pocht auf eine gerechte Umverteilung der Flüchtlinge.