Washington. Sie war jahrelang ein unantastbares Prinzip der US-Nahostpolitik: die Zwei-Staaten-Lösung. Doch der neue US-Präsident Donald Trump hat sich am Mittwoch von ihr verabschiedet und damit eine Wende in der Haltung der USA verkündet, die sich schon zuvor angedeutet hatte. Er könne sowohl mit einer Zwei-Staaten-Lösung als auch mit nur einem Staat leben, sagte Trump am Mittwoch in Washington bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Er werde mit der Lösung einverstanden sein, auf die sich Israelis und Palästinenser einigten, versicherte er.

Bereits am Vortag hatte ein US-Regierungsvertreter die Abkehr von der eindeutigen Unterstützung der Zwei-Staaten-Lösung angekündigt - obwohl diese auch das erklärte Ziel der internationalen Staatengemeinschaft ist und in der Roadmap des Nahost-Quartetts (USA, Russland, UNO, EU) von 2002 festgeschrieben wurde.

Netanjahu sagte zu der von der internationalen Gemeinschaft favorisierten und auch von ihm selbst bislang offiziell vertretenen Zwei-Staaten-Lösung, er wolle sich nicht mit Etiketten befassen, sondern mit Inhalten. Es gebe zwei Vorbedingungen für Frieden: "Zuerst müssen die Palästinenser den jüdischen Staat anerkennen", betonte Netanjahu. "Zweitens muss Israel in einem Friedensvertrag die maßgebliche Sicherheitskontrolle über das gesamte Gebiet westlich des Jordan ausüben."

Trump sagte ferner, dass er weiterhin die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem "sehr, sehr stark" und "mit großer Sorgfalt" prüfe. Vor Amtsantritt hatte der Präsident die rasche Verlegung der Botschaft angekündigt, seither äußert er sich zurückhaltender.

Die Installierung der Botschaft in Jerusalem wäre ein schwerer Affront gegen die Palästinenser, die Ost-Jerusalem als Hauptstadt ihres angestrebten Staates betrachten.

Dass die USA nicht mehr hinter der Zweistaatenlösung stehen, sorgt in der israelischen Regierung für Freude. Hier ist niemand mehr für diese Lösung, auch eine Mehrheit der israelischen Bevölkerung lehnt sie ganz klar ab. Die politische Rechte begrüßte in ersten Äußerungen bereits den US-Kurswechsel. Die Palästinenser reagierten alarmiert auf die Möglichkeit, dass die USA ihre Unterstützung für einen unabhängigen Palästinenserstaat beenden könnten. Dies würde die Chancen für den Frieden untergraben und auch den Ruf und die Vertrauenswürdigkeit der USA, sagte die palästinensische Politikerin Hanan Aschraui.

Trump fordert Zurückhaltung

in der Siedlungspolitik

Trump und Netanjahu betonten während der Pressekonferenz immer wieder ihre Freundschaft und die Verbundenheit der beiden Länder. In einem Punkt kam der US-Präsident seinem Gesprächspartner aber nicht in dem Ausmaß entgegen, wie es sich dieser vielleicht erhofft hatte: beim Siedlungsbau.

Trump forderte nämlich seinen israelischen Gesprächspartner in der Siedlungspolitik zur Zurückhaltung auf. "Ich würde gerne sehen, dass sie bei den Siedlungen ein bisschen bremsen", sagte er. Die von der israelischen Regierung geförderte Ausweitung der jüdischen Siedlungen in den Palästinensergebieten ist eines der zentralen Konfliktthemen mit den Palästinensern.

Israel hatte vor kurzem die Gründung einer neuen Siedlung bekannt gegeben. Seit Donald Trumps Amtsantritt im Jänner hat Israel den Bau von rund 6000 Siedlerwohnungen im Westjordanland und in Ost-Jerusalem angekündigt. "Halten Sie sich für eine kleine Weile zurück", sagte Trump. Die USA wollten sich für einen Frieden zwischen Israel und den Palästinensern ohne Vorbedingungen einsetzen. "Es sind die Parteien selber, die einen Vertrag verhandeln müssen", sagte der US-Präsident.

Trump bekräftigte - auch das zur Freude Netanjahus - erneut seine Ansicht, dass das Atomabkommen mit dem Iran schlecht sei und dass seine Regierung alles unternehmen werde, um sicherzustellen, dass Teheran "niemals, niemals" Atomwaffen entwickeln werde.

Netanjahu sagte, Israel habe keinen besseren Verbündeten als die USA, und das gelte auch andersherum. Er begrüßte, dass die USA ihre Macht und ihre moralische Position zugunsten Israels geltend machen würden. Trump sagte, die internationale Gemeinschaft und die UNO hätten Israel oft sehr unfair behandelt.

Netanjahu, der innenpolitisch wegen Korruptionsvorwürfen unter Druck steht, kann den Besuch bei Trump als Erfolg verbuchen. Mit Trumps Vorgänger Barack Obama wurde Netanjahu nie richtig warm, nun haben sich die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten wieder deutlich zum Vorteil Israels entwickelt.

US-Präsident will keine kritischen Fragen

Trump ist indes bei dieser Pressekonferenz zum wiederholten Male kritischen Fragen aus dem Weg gegangen. Erneut hatte das Weiße Haus Fragesteller kleiner Medien ausgewählt, die einen weiten Bogen um heiße Eisen der US-Politik machten. Große Häuser und Sender wie die "New York Times", die "Washington Post", CNN oder CBS gehen in Pressekonferenzen seit längerem leer aus. Bei den Pressekonferenzen mit den Premiers von Japan (Shinzo Abe) und Kanada (Justin Trudeau) war es das gleiche Muster, die Fragesteller kamen von kleinen oder konservativen, Trump-nahen Medien.

Und wenn sich eine Frage mal doch kritischer anhörte, flüchtete sich Trump in Allgemeinplätze. Auf die Frage, was er gegen Antisemitismus tun wolle, der auch seit seiner Wahl zum Präsidenten in den USA grassiere, sagte er: "Wir werden Frieden in diesem Land haben."

Journalisten sind dazu übergegangen, Trump mit Ende der Runde ihre Fragen zuzurufen, aber der Präsident verlässt den Raum dann stets ohne Antwort.