Der 2006 in den Gazastreifen verschleppte Soldat Gilad Shalit soll kommenden Mittwoch freikommen. Israel ist bereit, für den schmächtigen 25-Jährigen einen auf den ersten Blick enormen Preis zu zahlen: Mehr als 1000 Palästinenser sollen im Gegenzug freikommen, darunter 450 Häftlinge, die an tödlichen Anschlägen beteiligt waren.

Israels Premier Benjamin Netanjahu hat den Schritt aber genau kalkuliert und hofft mit einiger Berechtigung auf einen PR-Erfolg. Die Freilassung Shalits ist in Israel ungemein populär, und der rechtsnationalistische Regierungschef ist innenpolitisch angeschlagen. Proteste gegen soziale Ungerechtigkeit und hohe Lebenshaltungskosten erschüttern das Land, zuletzt sind hunderte Ärzte, die unter schlechter Bezahlung leiden, in Streik getreten. Durch die Umwälzungen des Arabischen Frühlings ist Israel auch außenpolitisch stark unter Druck geraten. Selbst die USA fordern, dass sich die Regierung bewegen und angesichts der neuen Lage Zugeständnisse machen müsse. Die Freilassung Shalits in dieser Situation innen- wie außenpolitisch ein Befreiungsschlag.

Die große Bedeutung des entführten Korporals ist ein israelisches Spezifikum. Ein Großteil der Nation bangt um ihn, viele sehen in Shalit den eigenen Sohn, man hat ihn gleichsam adoptiert und identifiziert sich mit seinen Eltern und Geschwistern. Es gab bereits Demonstrationen für Shalit, denn so gut wie jede Familie hat einen Angehörigen, der gerade seinen gefährlichen Militärdienst ableisten muss.

Dazu kommt, dass in Israels Armee das Prinzip "Alle für einen" gilt. Für die Befreiung eines einzigen in Not geratenen Soldaten werden große Opfer in Kauf genommen. Immerhin war der unmittelbare Anlass für den Libanon-Krieg im Sommer 2006 die Entführung zweier Israelis durch die Hisbollah. Im Endeffekt kamen bei dem Feldzug 119 israelischen Soldaten um, die Verluste auf libanesischer Seite waren weit höher. Auch als Shalit aus einem Panzer entführt und zwei seiner Kameraden getötet worden waren, startete die israelische Armee eine eigene Militäroffensive im Gazastreifen. Um ein 2:42-Minuten-Video von Shalit zu erhalten, war Israel im Oktober 2009 bereit, 20 palästinensische Gefangene freizulassen. Bedingung der Israelis war, dass der Gesundheitszustand Shalits auf den Bildern erkennbar sein müsse.

Manche Israelis sehen den Austausch allerdings kritisch und befürchten, dass durch die Freilassung von mehr als 1000 palästinensischen Häftlingen neue Gewalt drohe. Die Hamas hat bereits angekündigt, mit den Entführungen fortzufahren, bis auch die übrigen 6000 einsitzenden Palästinenser befreit sind.