Zwanzig Jahre nach dem Osloer Abkommen zwischen Israel und der PLO ist ein friedliches Zusammenleben oder gar eine Versöhnung der beiden einstigen Verhandlungspartner kaum denkbar.

Eines der Kernprobleme des Nahostkonflikts liegt nicht in der Hand von Israel: Keine Regierung in Jerusalem kann die arabische Welt dazu zwingen, von ihren antisemitischen Obsessionen zu lassen und Israel als jüdischen Staat zu akzeptieren. Dazu bedarf es fundamentaler Veränderungen in den arabischen und islamischen Gesellschaften. Bis diese eingetreten sind, bleibt Israel nur die Verwaltung der Misere. Wenn diese einigermaßen gelingt, heißt das: relative Sicherheit für Israel und möglichst wenig Opfer auf allen Seiten.

Anfang der 1990er-Jahre hatte die Mehrheit der israelischen Gesellschaft gehofft, diese Veränderungen hätten entweder schon stattgefunden, oder man könne eine dauerhafte Aussöhnung auch ohne sie erreichen bzw. durch Schritte zur Aussöhnung jene Veränderungen befördern. Das war die Grundhaltung, die Shimon Peres und Jitzchak Rabin dazu führte, Verhandlungen mit Jassir Arafat aufzunehmen.

Historische Gelegenheit

Angesichts heraufdämmernder existenzieller Gefahren erkannte Israel die Dringlichkeit, mit den unmittelbaren Nachbarn Frieden zu schließen. Und aus der Notwendigkeit eines Kompromisses schloss man auf die Chance, ihn auch zu erreichen. Es war so, als hätten sich Rabin und Peres die ebenso alte wie sympathische, aber grundfalsche und gefährliche Maxime zu eigen gemacht, den Nahostkonflikt zu behandeln, als gäbe es keinen Antisemitismus und den Antisemitismus, als gäbe es keinen Nahostkonflikt.

Rabin meinte, eine historische Gelegenheit zu erkennen: Die Besatzung sei nur zu untragbaren Kosten aufrecht zu erhalten. Israel befinde sich trotz der Intifada in einer Position relativer Stärke, die PLO hingegen sei durch ihr Bündnis mit Saddam Hussein geschwächt. Die USA seien die einzige verbliebene Supermacht, aber Russland werde perspektivisch als pro-arabischer Akteur zurückkehren. Die klassische Sicherheitsdoktrin sei überholt und die Bedeutung der ‚strategischen Tiefe‘ (wegen der es lange auch in der Arbeitspartei aus sicherheitspolitischen Gründen als unmöglich galt, die Westbank zu räumen) nehme insbesondere angesichts der Entwicklung der Raketentechnik dramatisch ab. Und vor allem: Das iranische Regime strebe nach Nuklearwaffen, woraus in Zukunft die existenzielle Bedrohung für Israel erwachse.

Ohne den letzten Punkt ist nicht zu verstehen, warum Rabin und Peres den ausgesprochen riskanten Schritt gewagt haben, sich mit jemandem auf einen "Friedensprozess" einzulassen, den beide über Jahrzehnte mit allen Mitteln bekämpft hatten und der bis dahin keinerlei Zweifel an seiner Ambition, Israel zu zerstören, hatte aufkommen lassen.

Rabin war der erste israelische Premier, der von seinen Geheimdiensten davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass das iranische Regime offensichtlich daran arbeitete, sich die Option auf Nuklearwaffen zu beschaffen. 1992 billigte er zum einen die seit einiger Zeit stattfindenden, nicht-offiziellen Gespräche in Oslo, die den Auftakt für die direkten Verhandlungen mit der PLO darstellten. In geheimen Vorverhandlungen in der norwegischen Hauptstadt war die Basis für das "Oslo 1-Abkommen" geschaffen worden - also für jene "Declaration of Principles", die dann am 13. September 1993 in Washington unterzeichnet wurde.

Zum anderen entschied Rabin sich 1992 aber auch für die Anschaffung von Langstreckenbombern, die gegebenenfalls in der Lage sein sollten, den Nuklearambitionen der Ajatollahs militärisch einen Strich durch die Rechnung zu machen. Zugleich beauftragte er die israelischen Gesandten, weltweit für eine scharfe Sanktions- und Isolationspolitik gegenüber dem iranischen Regime zu werben - was bis heute weitgehend gescheitert ist. Die Idee war, die Gefahren an und in den Grenzen Israels durch Kompromisse in den Griff zu bekommen und den, wie Rabin das nannte, "inneren Gefahrenkreis" zu neutralisieren, um dem "äußeren Gefahrenkreis" - der existenziellen Bedrohung durch den Iran - angemessen begegnen zu können.

Doch diese Rechnung ist nur in einem Punkt aufgegangen: 1994 kommt es zum Friedensschluss mit Jordanien. Dieser Vertrag dokumentierte, dass das Friedensabkommen zwischen Israel und Ägypten von 1979 nicht jene an ein Wunder grenzende Ausnahme bleiben muss, als die es lange gesehen wurde. Ansonsten aber ist jenes Vorhaben aus mannigfaltigen Gründen gescheitert.

Mitte der 90er-Jahre lebte die Mehrheit der palästinensischen Bevölkerung nicht mehr unter direkter israelischer Kontrolle. Die Besatzung hatte also, trotz aller weiterhin bestehenden Restriktionen und Übergriffe, einen völlig anderen Charakter angenommen als zu Beginn der 90er-Jahre. Trotz des weiterhin betriebenen Baus von israelischen Siedlungen in der Westbank, der von den meisten Israelis für einen Fehler gehalten wurde und wird, wäre das eine gute Ausgangslage für weitere Schritte hin zu irgendeiner Art von friedlicher Koexistenz gewesen. Aber den maßgeblichen Teilen der palästinensischen Führung ging es um etwas anderes.

Neue Taktik der PLO

Bereits anlässlich der erstmaligen Erwähnung einer Zwei-Staaten-Lösung durch die PLO - 1988 bei der Diskussion über die "Palestinian Declaration of Independence" - ließen ranghohe PLO-Funktionäre keinen Zweifel daran, dass es bei dieser ‚Lösung‘ lediglich um eine neue Taktik ging. Salah Khalaf, ein Stellvertreter Arafats, besser unter seinem Nom de Guerre Abu Iyad bekannt, sprach das unverblümt aus: "Yes, I am interested in the liberation of Palestine, but the question is how. And the answer is: Step by step."