Washington. Seit den ersten Enthüllungen des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden vor zwei Wochen kommen immer neue Überwachungsprogramme der Geheimdienste ans Licht. Snowden arbeitet dabei vor allem mit der britischen Zeitung "Guardian" zusammen. Über welche Programme hat Snowden bislang berichtet und wie unterscheiden sie sich?
Sammlung von US-Telefondaten: Der US-Geheimdienst NSA hat nach Darstellung Snowdens Zugriff auf die Verbindungsdaten des Telekomanbieters Verizon, berichtet der "Guardian" am 6. Juni. Die Zeitung veröffentlicht die bisher geheime Gerichtsanordnung, die die Weitergabe der Verbindungsdaten anordnet. Hier geht es nicht um die Inhalte der Gespräche, sondern um die Telefonnummern des Anrufers und Angerufenen, den Ort und Zeitpunkt des Gesprächs. Betroffen sind US-Bürger mit einem Telefonvertrag von Verizon. Später berichten weitere Medien, dass auch andere US-Telefonanbieter seit Jahren ihre Daten an den Geheimdienst weitergeben müssen.
PRISM (deutsch Prisma): Ein weiteres Programm des US-Geheimdienstes NSA. Die NSA habe praktisch uneingeschränkten Zugriff auf Daten von großen Internetfirmen, berichten die "Washington Post" und der "Guardian". Der Geheimdienst könne Inhalte von E-Mails, Fotos und angehängte Dokumente von Microsoft, Yahoo, Google, Facebook, AOL, Apple und dem in Europa wenig bekannten Anbieter PalTalk durchgehen. Die Firmen bestreiten vehement, dem Geheimdienst einen direkten Draht zu ihren Servern gelegt zu haben. Sie übergäben Nutzerdaten nur auf konkrete Gerichtsbeschlüsse. Überprüfen lässt sich alles nur schwer, denn die Anordnungen stammen ebenfalls von einem Geheimgericht.
Tempora: Das bisher umfangreichste Programm, umgesetzt vom britischen Geheimdienst Government Communications Headquarters (GCHQ). Anders als die NSA hätten die Briten nicht die Datenschränke der Internetfirmen angezapft, sondern die Übertragungskabel selbst. 200 von insgesamt 1.600 Glasfaserkabeln habe der Dienst direkt überwacht. Diese Kabel verbinden vor allem Internetknotenpunkte in Europa und Übersee. Der GCHQ zapfe hier stündlich Unmengen von Daten ab, berichtet der "Guardian" am 21. Juni. Die Verbindungsdaten, auch Metadaten genannt, dürften 30 Tage gespeichert werden, Inhalte der E-Mails, Nachrichten und Gespräche drei Tage. Die Daten teilt der GCHQ den Berichten zufolge mit dem US-Geheimdienst.
Schnüffeleien in China: Die NSA habe chinesische Mobilfunknachrichten und wichtige Datenübertragungsleitungen an der Tsinghua-Universität in Peking ausspioniert, sagte Snowden der Zeitung "South China Morning Post". Außerdem hätten US-Geheimdienste Datenleitungen von Pacnet gehackt. Hunderte Computer in Hongkong und China seien ausspioniert worden. Pacnet betreibt eines der größten Glasfasernetze in der Asien-Pazifik-Region.
USA forderten Auslieferung
Die US-Regierung hat Russland aufgefordert, den Enthüller des US-Spähprogramms PRISM, Edward Snowden, umgehend auszuliefern. "Wir erwarten, dass die russische Regierung alle verfügbaren Optionen prüft, um Herrn Snowden in die USA zurückzuschicken", teilte das Weiße Haus in Washington am frühen Montag mit. Zwischen den USA und Russland habe es in jüngster Zeit eine "intensivierte Zusammenarbeit" in Fragen der Rechtsstaatlichkeit gegeben, die fortgesetzt werden müsse, appellierte die US-Regierung. Snowden müsse sich "wegen der Verbrechen, derer er beschuldigt wird", der US-Justiz stellen.
Der 30-jährige Snowden hatte das Spähprogramm PRISM aufgedeckt, mit dem der US-Geheimdienst NSA Nutzerdaten großer Internetkonzerne wie Google, Facebook und Microsoft auswertet. Er floh daraufhin in die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong, die er am Sonntag in Richtung Russland wieder verließ. Während seines Aufenthalts an einem Flughafen Scheremetjewo in der Hauptstadt Moskau wurde mitgeteilt, Snowden habe Asyl in Ecuador beantragt. Die US-Regierung, die Snowden der "Spionage" bezichtigt, will seine Weiterreise nun verhindern. Die ecuadorianische Regierung teilte am Montag mit, der Asylantrag werde "mit großer Verantwortung" geprüft.
Der 30-Jährige habe ein Ticket für einen Flug von Moskau nach Havanna gebucht, hieß es aus Kreisen der russischen Fluggesellschaft Aeroflot. Kuba gab an, nichts davon zu wissen.
In Hongkong meldete sich indes ein Anwalt und Abgeordneter zu Wort, der Snowden nach eigenen Angaben betreute. Albert Ho, profilierter Kämpfer für Rechtsstaatlichkeit in China, sagte, Snowden sei vor einigen Tagen von "jemandem, der angab, die Regierung zu vertreten", kontaktiert worden. Es sei nicht eindeutig gewesen, ob die Regierung Hongkongs oder Chinas gemeint gewesen sei. "Ich habe aber Grund zu der Annahme, dass diejenigen, die ihn zur Ausreise aufforderten, Peking repräsentierten", sagte Ho. Snowden wurde demnach aufgefordert, Hongkong unter freiem Geleit zu verlassen.