Wien / La Paz / Washington. Der Zwischenstopp von Boliviens Präsident Evo Morales in Wien sorgt weiter für Diskussionen. Wie die Tageszeitung "Die Presse" in ihrer Donnerstagsausgabe berichtet, hat es noch am Montagabend eine Intervention von US-Botschafter William Eacho gegeben. Laut "Presse" behauptete der Diplomat mit großer Bestimmtheit, dass Edward Snowden an Bord sei, der von den USA gesuchte Aufdecker jüngster Abhörskandale. Eacho habe auf eine diplomatische Note verwiesen, in der die USA die sofortige Auslieferung Snowdens verlangten.
Im Außenamt wurde am Mittwochabend auf Anfrage der APA bestätigt, dass es einen Anruf Eachos gegeben habe. Druck sei dabei aber keiner ausgeübt worden. In einem Interview mit der "Presse" bezeichnete Eacho die europäischen Reaktionen auf Snowdens Enthüllungen als übertrieben. "Denn das alles ist nicht neu. Die Geheimdienste von EU-Mitgliedstaaten sind in die gemeinsamen Bemühungen involviert, reale Sicherheitsgefahren abzuwehren."
"Auf Bürgerrechte geachtet"
Man dürfe die Rolle des Geheimdienstes NSA nicht dramatisieren, meinte der Diplomat sinngemäß: "Wer kann mehr? NSA oder Facebook? Personen geben mehr Daten freiwillig über sich selbst preis, als die NSA erwischen kann. Meiner Meinung nach wurde das Überwachungsprogramm so eingerichtet, dass Polizeibehörden Zugang zu Daten haben, die sie brauchen, und gleichzeitig wurde auf Bürgerrechte und Datenschutz geachtet. Amerikaner oder auch Bürger, die sich in den USA aufhalten, müssen nicht besorgt sein, dass irgendjemand ihre E-Mails liest."
Snowden befand sich seit 23. Juni auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo. Morales hatte an einer Energiekonferenz in der russischen Hauptstadt teilgenommen und dort öffentlich mit dem Gedanken gespielt, dem ehemaligen NSA-Mitarbeiter Asyl zu gewähren. Sein Flugzeug war aber offenbar von einem anderen Moskauer Airport gestartet.
Möglicherweise Intrige des russischen Geheimdienstes
Politische Beobachter halten es auch für möglich, dass der russische Geheimdienst die USA blamieren wollte und sie glauben ließ, dass Snowden an Bord der Maschine sei. "Die Amerikaner müssen wirklich überzeugt gewesen sein, dass Snowden an Bord ist", hieß es bei einer Diskussion in der Sendung "Journal Panorama" des ORF-Radiosenders "Ö1", an der unter anderen der Leiter der Diplomatischen Akademie Hans Winkler und der Völkerrechts- und Menschenrechtsexperte Manfred Nowak teilnahmen.
Morales befand sich am Freitagabend nach einer weiteren Zwischenlandung auf den Kanarischen Inseln auf dem Heimflug nach Bolivien.
Ungereimtheiten bezüglich Überflugrechte
Zuvor war Morales 13 Stunden in Wien festgesessen. Der Grund für den Zwangstopp von Boliviens Präsident Evo Morales in Wien soll gewesen sein, dass Italien, Frankreich, Portugal und Spanien die Überflugrechte verweigerten. Doch noch immer ist unklar, ob es diese Luftraumsperren überhaupt gegeben hat und falls ja, wer sie verhängt hat, schreibt "Spiegel Online".
Spanien wies den Vorwurf der bolivianischen Regierung zurück, der Maschine die Überflugrechte verweigert zu haben. Madrid habe dem bolivianischen Staatschef bereits am Dienstagabend die Erlaubnis zu einer Zwischenlandung auf Gran Canaria erteilt, sagte Außenminister José Manuel García-Margallo am Mittwoch in Madrid. "Wenn es zu Schwierigkeiten kam, lag das daran, dass andere Länder die Überflugrechte verweigert haben."
Auch ein Sprecher des französischen Außenministeriums sagte, es sei eine Genehmigung erteilt worden. Weitere Details nannte er allerdings nicht. Nach bolivianischer Darstellung hatte Frankreich der Maschine in letzter Minute den Überflug verweigert. Daher habe das Flugzeug mit Morales an Bord umkehren und in Wien landen müssen.
Italien schweigt
Der Fraktionsführer der italienischen Links-Partei SEL, Arturo Scotto, forderte Italiens Außenministerin Emma Bonino laut italienischer Nachrichtenagentur ANSA auf, zur der "äußerst schwerwiegenden Episode" um die bolivianische Präsidentenmaschine Stellung zu nehmen. Er wünsche sich, dass Italien nicht in eine derartige Verletzung internationaler Konventionen verwickelt sei, erklärte Scotto. Bonino hat sich in der Affäre um den Morales-Stopp in Wien bisher nicht geäußert.
Das portugiesische Außenministerium erklärte in einem Kommunique, man habe der Maschine des bolivianischen Präsidenten "zu jeder Zeit" den Überflug gestattet. Man habe ihr lediglich einen Tankstopp in Lissabon aus technischen Gründen verweigert, hieß es nach Angaben der spanischen Nachrichtenagentur EFE. Genauere Angaben zu den "technischen Gründen" machte das Außenministerium nicht.
Morales wollte auf seinem Rückflug von einer Konferenz gasproduzierender Länder in Moskau einen Tankstopp in Lissabon einlegen. Nach der Weigerung Portugals wurde Spanien ersucht, auf den Kanarischen Inseln eine Zwischenlandung zu erlauben.
In Südamerika gehen die Wogen hoch
Die Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) soll noch am Mittwoch eigens wegen der Flugaffäre zusammenkommen. Das teilte der bolivianische UN-Botschafter in Genf, Sacha Llorenti Soliz, mit. Es gehe um "die Würde Boliviens und die Würde Südamerikas".
Erst nach einem 13-stündigen Zwischenstopp in Wien konnte Morales am Mittwoch zu Mittag die Weiterreise antreten. Hintergrund der angeblichen Luftraumsperren war offenbar die Annahme, der frühere US-Geheimdienstler Edward Snowden sei an Bord der in Moskau gestarteten Maschine. Dies sei aber nicht der Fall gewesen, versicherte Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP). Auch Morales wies jede Verbindung zu Snowden zurück.
Kurz vor seinem Abflug sagte Morales noch zu Journalisten, er sei "in Geiselhaft" genommen worden. Die Länder, die für seinen ungeplanten Zwischenstopp verantwortlich seien, hätten einen "historischen Fehler" begangen. Gleichzeitig bedankte er sich für die gute Behandlung in Österreich.
UN-Botschafter beschuldigt Österreich des "Kidnappings"
Der bolivianische Präsident Evo Morales ist am Mittwoch aus Wien abgeflogen, wo er rund 13 Stunden festgesessen war, nachdem mehrere europäische Länder seiner Maschine die Überfluggenehmigung wegen Gerüchten um den Mitflug des US-Geheimdienstenthüllers Edward Snowden verweigert hatten.
Nachdem zuletzt Spanien den Luftraum freigegeben hatte, hob die Präsidentenmaschine gegen 11.30 Uhr vom Wiener Flughafen Richtung Bolivien ab. Auf den zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln war eine Zwischenlandung geplant.
"Freiwillige Nachschau"
Der Botschafter Boliviens in Genf, Sacha Llorenti Soliz, hat Österreich beschuldigt, den bolivianischen Präsidenten Evo Morals "gekidnappt" zu haben. Wegen der Untersuchung der Präsidentenmaschine auf dem Wiener Flughafen werde Bolivien Klage bei der UNO einreichen. Österreich habe mit dieser Aktion einen "Akt der Aggression" begangen und das Völkerrecht verletzt.
"Wir haben keinen Zweifel, dass der Befehl dazu aus den USA kam", sagte Llorenti. "Aus keinem Grund sollte ein Diplomatenflugzeug mit dem Präsidenten an Bord umgeleitet werden und zur Landung in einem anderen Land gezwungen werden."
Vizekanzler Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) hatte Morales kurz vor dessen Weiterflug auf dem Wiener Flughafen besucht und danach erklärt, es habe eine "Freiwillige Nachschau" durch Vertreter Österreichs in der bolivianischen Präsidentenmaschine gegeben. Grund waren Gerüchte, es könnte sich der NSA-Aufdecker Edward Snowden an Bord der Maschine befinden. Morales selbst hatte gesagt, es habe "keinen Besuch" von Österreichern in seinem Flugzeug gegeben.
Opposition geniert sich für EU
Die drei Oppositionsparteien FPÖ, Grüne und BZÖ sehen in den jüngsten Entwicklungen in der Causa Snowden, die den bolivianischen Präsidenten Evo Morales zur Landung in Österreich zwangen, ein Armutszeugnis für die EU. Alle drei forderten die österreichische Regierung am Mittwoch in Aussendungen auf, in der Abhöraffäre gegenüber den USA Flagge zu zeigen bzw. sich auch in der EU dafür einzusetzen. Zudem wünschen sie sich Asyl für Edward Snowden in Europa bzw. Österreich.
Johannes Huber, Außenpolitik-Sprecher der FPÖ, bezeichnete das Überflugverbot für Morales durch europäische Staaten als "beschämend", und "noch viel beschämender" findet er es, dass Snowdens Asyl-Gesuche in EU-Staaten keine Chance hätten. FP-Chef Heinz-Christian Strache forderte deswegen, Snowden Zuflucht zu gewähren, denn "dieser Mann ist ein Held".
"Massive Beihilfe zur Verfolgung"
Die Grüne außenpolitische Sprechern Alev Korun sah eine "massive Beihilfe zur Verfolgung" Snowdens durch EU-Staaten. Österreich dürfe bei "diesem unfassbaren vorauseilenden Gehorsam gegenüber den USA nicht mitmachen", forderte sie. Die Glaubwürdigkeit der europäischen Grund- und Menschenrechtspolitik stehe auf dem Spiel.
Auch BZÖ-Obmann Josef Bucher forderte die Regierung auf, "noch klarer Stellung zu beziehen", allerdings räumte er ein, "dass Österreich eine der deutlichsten Positionen betreffend die Ablehnung des Verhaltens der USA und seiner europäischen Verbündeten bezogen hat". Snowden solle in Österreich "ein faires Asylverfahren" erhalten.