Fünf Zettabyte, das entspricht fünf Billiarden Megabyte, ist eine Zahl mit 15 Nullen. Eine ebenso unglaubliche, wie auch unvorstellbare Summe. Diese Zahl entspricht jener Datenmenge, die von der NSA in einer neuen Serverfarm in der Nähe von Salt Lake City gespeichert werden soll, um die über ihr Spionageprogramm PRISM eingesammelte Information zu lagern.
Doch nicht nur die unglaubliche Datenmenge ist es, die Sorge bereiten sollte, sondern die Auswirkungen, die Möglichkeiten und der (politische) Umgang mit dem Thema Geheimdienste und Spionage. Wer es schafft, sensible Daten mitzulesen und zu sammeln, der kann diese Daten auch manipulieren. Wer sich in Systeme jahrelang unbemerkt einschleichen kann, kann Einträge auch unentdeckt verändern. Eine kleine Abänderung hier, eine kleine "Korrektur" dort und schon sind Menschen Terroristen. Wie einfach wäre es doch, dem politischen Gegner einen falschen Eintrag über seine Internetaktivitäten anzuhängen. Den Besuch einer Kinderpornowebseite etwa. Und schon ist der Ruf ruiniert. Ein paar Wirtschaftsdaten umschreiben – was so ein Komma ausmachen kann – und die Aktien sinken in den Keller, wenn dies publik würde. Kann man die Menschheitsgeschichte umschreiben? Kann es wirklich sein, dass in ein paar Jahrzehnten Dinge an die Öffentlichkeit kommen, die niemand wusste? Weil es sie ja auch nie gab.
Sascha Lobo: Wer lesen kann, kann auch schreiben
Webseite zu WISee
"Was aber ist mit einem Schreibzugriff? Projekte wie der Bundestrojaner (Anm.: ein deutsches Überwachungs-Tool) zeigen, dass Datenmanipulation für Nachrichtendienste nichts grundsätzlich Unvorstellbares ist. Es ergibt sich so eine völlig neue Dimension des Missbrauchs. Prism und Tempora dürfen nicht nur vor dem aktuell bekannten Stand der Technologie diskutiert werden. Die zukünftige Entwicklung muss mitberücksichtigt werden, ohne sich in Verschwörungstheorien zu verlieren", schreibt der deutsche Autor und Internetexperte Sascha Lobo in einem Kommentar. Internet-Überwachung sei ein politisches Problem und wird durch die technologischen Möglichkeiten immer größer.
Ein universitäres Projekt als Augenöffner
"Die Totalüberwachung der digitalen Sphäre muss schon deshalb gestoppt werden, weil ihr Potential ständig wächst", so Lobo weiter. Wie weit die Technologie sich entwickelt hat und welche Möglichkeiten sich bereits realisieren lassen, zeigt das Projekt "WISee" der University of Washington. Die Grundidee ist eine zutiefst nützliche und sinvolle Spielerei: Die Software soll es ermöglichen, dass ohne Zusatzgeräte die Gestensteuerung in der gesamten Wohnung ermöglicht wird. So soll etwa ein Wink mit der Hand Musik lauter oder leiser, das Licht heller oder dünkler stellen. Möglich wird dies, durch die elektromagnetische Wellen, die Heimelektronikgeräte mit ihren integrierten WLAN-Antennen ständig ausstrahlen. Da nun jeder Körper und jede Bewegung diese Wellen auf spezifische Weise ablenkt und dies messbar ist, können damit Geräte gesteuert werden. WiSee scannt nun die gesamte Wohnung und alle Bewegungen der Bewohner und macht die Gestensteuerung somit möglich. Was ist aber nun, wenn diese Software von Geheimdiensten installiert, die Bewohner überwacht?
Es bedarf neuer Regelungen
Den weltpolitischen Aspekt in der aktuellen Debatte in Deutschland skizzierte der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, der als Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) die Arbeit der Geheimdienste mitüberwacht. Er verlangte von der deutschen Bundesregierung in der Causa zu handeln, "und zwar sofort, um die aktuellen Spähaktionen ausländischer Geheimdienste" zu stoppen. Die noch bestehenden Vereinbarungen aus der Zeit des Kalten Krieges müssten "gekündigt oder entsprechend geändert und dieses Scheunentor geschlossen" werden.
Aber zurück zum großen Datenhaufen der NSA. Würde es nun jemandem in den Sinn kommen, die fünf Zettabyte an Daten auszudrucken, würde dies nicht nur den weltweiten Baumbestand der Welt akut gefährden, sondern auch 42 Billionen Aktenschränke füllen (siehe Grafik). Und würde man diese Aktenschränke aneinander gereiht aufstellen, so bedeckt dies eine Fläche in der Größenordnung von ganz Europa, des Nahen Ostens und Russlands bis zum Ural.
Die riesigen Datenmengen verstehen
Wie schwer solche Datenmengen im digitalen Zeitalter für den Menschen zu fassen sind, zeigte der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck in einem Fernsehinterview. Angesprochen auf den PRISM-Skandal meinte Gauck: "Wir wissen, dass es nicht so ist wie bei der Stasi und dem KGB, dass es dicke Aktenbände gibt, in denen unsere Gesprächsinhalte alle aufgeschrieben und schön abgeheftet sind. Das ist es nicht." Dieser Stasi-Vergleich sorgte in Deutschland für eine große Debatte. Natürlich kann man die NSA nicht ernsthaft mit der Stasi, ihren Methoden und den Folgen für den Einzelnen, vergleichen, wohl aber die Datenmengen, um so das gesamte Ausmaß zu erfassen.
In der 40-jährigen Geschichte sammelte der gesamte Spionageapparat der Stasi Dokumente die 48.000 Aktenschränke füllen. Während der DDR-Geheimdienst dafür eine Stellfläche von nur 0,019 Quadratkilometer benötigt hätte - etwa doppelt so viel wie die Rasenfläche des Wiener Praterstadions, würde das NSA-Material, gesammelt in weniger als 7 Jahren, ganz Europa zudecken. Fest steht, dass man im 21. Jahrhundert keine Aktenschränke mehr braucht, um Tonnen von Papier zu sammeln, es reichen große Festplatten.