Berlin. Angesichts des Skandals um mutmaßliche US-Spähangriffe auf
das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel erhöht EU-Justizkommissarin Viviane Reding den Druck für mehr Datenschutz
in Europa. Die jüngsten Abhörskandale zeigten, dass Datenschutz für alle gelten müsse - "egal, ob es um die E-Mails der Bürger oder das Handy von Angela Merkel geht", sagte Reding der "Bild"-Onlineausgabe. "Wir brauchen jetzt großen europäischen Datenschutz gegen große Lauschohren." Sie forderte die Staats- und Regierungschefs auf, bei ihrem Treffen am Donnerstag und Freitag in Brüssel den Weg für die EU-Datenschutzreform frei zumachen. Nur so könne sich Europa glaubwürdig gegen die USA behaupten. Die Kleinstaaterei im Datenschutz müsse ein Ende haben.
Der Bundesregierung liegen Hinweise vor, wonach auch Merkels Handy durch US-Dienste ausspioniert wurde. Die Kanzlerin telefonierte deswegen bereits mit US-Präsident Barack Obama und forderte eine sofortige und umfassende Aufklärung. Aus Protest ließ Außenminister Guido Westerwelle den amerikanischen Botschafter einbestellen. Die 28 Staats- und Regierungschefs der EU wollen in Brüssel über die Stärkung der digitalen Wirtschaft und eine bessere wirtschaftspolitische Koordinierung beraten. Weitreichende Beschlüsse werden aber nicht erwartet, weil das Oktober-Treffen eher als "Zwischengipfel" gilt.
Österreich fordert in Abhöraffäre Härte
Angesichts der NSA-Abhörvorwürfe pocht Österreichs Regierung auf ein hartes Vorgehen der EU gegen die USA. "Klar ist: Besonders zwischen befreundeten Ländern kann man nicht einfach jemand anderen abhören, Daten absaugen und verarbeiten, ohne dass es dafür wirklich eine gemeinsame Grundlage gibt", sagte Österreichs Vizekanzler Michael Spindelegger vor dem EU-Gipfel in Brüssel. "Das sollten wir Europäer mit Selbstbewusstein gegenüber den USA klarmachen." Der konservative ÖVP-Politiker betonte, dass das Vertrauensverhältnis mit den USA angeknackst sei. Zudem pochte er auf einen bilateralen Vertrag mit den USA, der auch "Sanktionsmechanismen" enthalten müsse, falls sich die USA nicht an ihre Zusagen zum Datenschutz hielten. "Wir akzeptieren auf keine Weise, dass Daten aus Österreich abgesaugt werden, verarbeitet werden, ohne dass es dafür eine rechtliche Grundlage gibt."
Barroso: Schutz der Privatsphäre keine Nebensache
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hat vor dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag in Brüssel die Bedeutung eines einheitlichen Datenschutzes in Europa hervorgehoben. Angesprochen auf die jüngste US-Abhöraffäre, bei der auch das Telefon der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört worden sein soll, sagte Barroso, "man kann nicht einfach so tun, als wäre das eine Nebensache". Der Schutz der Privatsphäre sei wichtig und die EU solle die Datenschutzverordnung so schnell wie möglich zu verabschieden.
Eher skeptisch zeigte sich bei der traditionellen Pressekonferenz nach dem Sozialgipfel und vor dem Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs der Generalsekretär der EU-Arbeitgeberorganisation Businesseurope, Markus Beyrer. Natürlich sei Datenschutz wichtig, doch warnte er vor zu großer Eile.
Barroso verwies darauf, dass die Vorschläge der Kommission für den Datenschutz schon im Jänner 2012 vorgelegt worden seien. "Also lange bevor diese Enthüllungen an die Öffentlichkeit kamen. Das Recht auf Privatsphäre ist eine ernste Sache." Aus der "jüngsten Vergangenheit wissen wir noch, was Totalitarismus bedeutet. Man weiß, wenn ein Staat seine Macht nutzt, dass er in das Privatleben der Leute hineinleuchtet". Gerade wegen der digitalen Agenda sei die Sache wichtig. "Die Bürger trauen dem Internet nicht so sehr, wie das in anderen Teilen der Welt der fall ist.". Die Menschen wollten sicher sein, dass kein Schindluder mit ihren Kreditkarten" getrieben werde. Außerdem könne eine EU-Norm 28 andere ersetzen.
Beyrer meinte, er wolle Barroso nicht widersprechen. Es müsse natürlich ein Vertrauen für den Verbraucher geben. Eine Harmonisierung sei notwendig. Er wehre sich aber gegen zu viel Bürokratie mit einem Datenschutzbeauftragten. Die derzeitige Diskussion werde durch einen gewissen Hype überschattet und dies sei nicht die richtige Atmosphäre, um eine richtige Lösung zu finden, mit der das richtige Gleichgewicht gefunden werde.