Wien. Die österreichische Neutralität hindert den US-Geheimdienst NSA offenbar nicht an einer engen Zusammenarbeit mit dem Bundesheer. Österreich werde bei der NSA zusammen mit Deutschland und 14 weiteren NATO-Staaten als "Tier B"-Partner geführt, mit dem eine "fokussierte Kooperation" betrieben werde, berichtet ORF.at unter Berufung auf neue Dokumente des US-Geheimdienstes.
Dabei handle es sich um "Kooperation bei Operationen in Computernetzen" und deren Auswertung ("Exploitation"), heißt es in dem ORF-Bericht weiter. Das Verteidigungsministerium konnte auf Anfrage von ORF.at nicht beantworten, warum Österreich in den NSA-Papieren auf diese Art geführt wird.
Internationale Organisationen von Interesse
Laut ORF.at wird Österreich in dem Ranking höher als Frankreich und die Hälfte der NATO-Staaten geführt. Allerdings fungieren umgekehrt auch das bündnisfreie Schweden und die neutrale Schweiz auf der "Tier B"-Liste. Für den US-Geheimdienst seien vor allem die internationalen Organisationen in Genf und Wien von Interesse.
Während man beim Bundesheer nur eine "punktuelle Kooperation" mit der NSA, etwa für Auslandseinsätze und für in Not geratene Österreicher. Im Fall Deutschlands bedeute der "Tier B"-Status laut ORF.at jedoch, dass der deutsche Bundesnahrichtendienst mit NSA-Equipment bis zu 20 Prozent des Datenverkehrs auf deutschen Glasfasernetzen überwache. Das Verteidigungsministerium sagte dem ORF dazu, dass da Bundesheer "keinen Zugang zu Glasfaserknoten oder Server von Providern" habe.
Am Wochenende hatte das Nachrichtenmagazin "profil" unter Berufung auf einen früheren US-Agenten berichtet, dass die NSA auch in Österreich flächendeckend Telefonate erfasst und überwacht. Dies sei "gängige Praxis der NSA und eine Doktrin zur Unterstützung nationaler amerikanischer Interessen", sagte der Agent. In einem vorige Woche in die Öffentlichkeit gelangen US-Dokument wird der Beleg gesehen, dass die NSA in Wien eine Abhörstation betreibt. Darin ist nämlich von "Vienna & Annex" die Rede, wobei dieser "Annex" (Anhang) als "unmanned remote" ("unbemannt ferngesteuert") ausgewiesen sei. Dies sei eine Chiffre für eine im Rahmen der US-Botschaft tätige Abhörstation.
Bundesheer spricht von "punktueller Zusammenarbeit"
Angebliche Enthüllungen der spanischen Zeitung "El Mundo", wonach auch Österreich im Rahmen einer "fokussierten Kooperation" ein bevorzugter Partner des US-Geheimdienstes NSA ist, sind vom Verteidigungsministerium weder dementiert noch bestätigt worden. Gegenüber der APA hieß es am Montag aus dem Verteidigungsministerium, "dass jegliche Zusammenarbeit mit anderen Diensten nur punktuell erfolgt".
Diese Zusammenarbeit beziehe sich "ausschließlich auf die Einsatzräume des Bundesheeres und die Sicherheit der dort eingesetzten Soldaten" beziehungsweise auf den sicheren Heimtransport von im Ausland in Not geratenen Österreichern, hieß es weiter.
"Tier B - Focused Cooperation"
Neben "El Mundo" berichteten auch andere europäische Medien wie das Luxemburger "Tageblatt" über ein angebliches Geheimdokument der NSA mit dem Titel "Sharing computer network operations cryptologic information with foreign partners". Es geht dabei um den Austausch verschlüsselter Daten mit ausländischen Partnern. In der Kategorie "Tier B - Focused Cooperation" (enge Zusammenarbeit) taucht auch Österreich auf - neben Ländern wie Belgien, Luxemburg und Deutschland.
Die Echtheit des Dokuments wird vom Verteidigungsministerium nicht bestätigt. "Ob das ein offizielles NSA-Dokument ist, können wir nicht beantworten", hieß es seitens des Ministeriums gegenüber der APA. Die Frage wie und warum die Republik Österreich in etwaigen Papieren der NSA erwähnt werde, könne nur durch die NSA beantwortet werden. Allerdings verweist auch das Ministerium darauf, dass in dem Papier neben Österreich und der Schweiz auch Schweden als neutraler Staat angeführt sei.
Bundesheer ohne Zugang
Das Verteidigungsministerium betont zudem, dass es keinen Zugang zu Glasfaserknoten oder Servern von Providern habe, weil die Kommunikationsinfrastruktur in Österreich privat sei und gehört den Telekommunikationsanbietern gehöre.
FPÖ-Chef Heinz Christian Strache forderte am Montag, dass die Bundesheerkontakte zur NSA genauestens untersucht werden müssten. Österreich rangiere als Partner der NSA gleichauf mit Deutschland und 14 anderen NATO-Staaten. "Was bedeutet das für unsere Neutralität?", fragte Strache in einer Aussendung. Österreich sei im Ranking höher eingestuft als viele NATO-Partner der USA.
"Hier besteht enormer Aufklärungsbedarf. Wir erleben offenkundig seit Jahren die Herrschaft elektronischer Spionage", verlangte Strache Konsequenzen. Österreich habe den Status eines neutralen Landes inne und sich auch dementsprechend zu verhalten. "Ich wünsche mir nicht, dass unser Bundesheer und dessen Nachrichtendienste der Vorhut der USA zugerechnet werden müssen", fordert Strache ein klares Bekenntnis zur Neutralität. Untersucht werden müsse außerdem die Rolle des ehemaligen Verteidigungsministers Norbert Darabos (SPÖ). Dieser solle klarstellen, was er von dieser Zusammenarbeit gewusst habe.
Verfassungsschutz: Keine direkte Kommunikation mit NSA
Das beim Innenministerium angesiedelte Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist nach eigenen Angaben unter anderem für die Spionageabwehr in Österreich zuständig, pflegt aber keinen Kontakt mit dem US-Geheimdienst NSA. "Es gibt keine direkte Kommunikation zwischen NSA und BVT", sagte der Sprecher des Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck.
Der Sicherheitssprecher der Grünen, Peter Pilz, forderte indes eine Sondersitzung des Nationalrates zu den am Wochenende aufgetauchten Medienberichten, wonach der Nachrichtendienst des österreichischen Bundesheeres eng mit der NSA zusammenarbeite. "Es stellt sich heraus, dass im Zusammenhang mit der NSA-Affäre der Verteidigungsminister dem Parlament und der Öffentlichkeit mehrmals die Unwahrheit gesagt hat", kritisierte Pilz am Montag in einer Aussendung.
Pilz forderte die rasche konstituierende Sitzung des Landesverteidigungs-Ausschusses. "Die konstituierende Sitzung darf nicht weiter hinausgezögert werden, damit der Unterausschuss den Minister zur Verantwortung ziehen kann. Weiters schlage ich der FPÖ vor, dass die Opposition zum Thema NSA eine Sondersitzung des Nationalrats einberuft."
Wegen eines mutmaßlichen Geheimvertrages zwischen den US-Geheimdiensten CIA bzw. NSA und dem österreichischen Heeresnachrichtenamt hat der Grüne Parlamentarier im Juli Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebracht. Grundböck sagte am Montag, es gebe aktuell noch keinen Ermittlungsauftrag an das BVT in dieser Angelegenheit. Das BVT wäre für entsprechende Ermittlungen zuständig, wenn die Staatsanwaltschaft einen entsprechenden Auftrag erteilt.