Nun ist es also doch noch passiert. Mehr als zwei Jahre wurde von Analysten spekuliert, von Fachleuten diskutiert und zwischen Mark Zuckerberg und Jan Koum verhandelt. Der Facebook-Gründer und der Whatsapp-Entwickler trafen sich oft in der Chefsache. Das Ergebnis ist nu die teuerste Übernahme in der Facebook-Geschichte. Mehr als 13,8 Milliarden Euro legte das soziale Netzwerk auf den Tisch um sich die SMS-Alternative WhatsApp einverleiben zu können. Zuckerberg feiert einen Sieg, Koum erliegt dem Ruf des Geldes und doch, weder Experten, noch die Nutzer wissen so recht, ob die Übernahme wirklich sinnvoll war.

Ein amerikanischer Traum
Die Geschichte von WhatsApp passt perfekt in das Bild des American Dream". Jan Koum, der arme Einwanderer aus der Ukraine (siehe Portrait), gründet mit Nichts und aus dem selbigen ein Unternehmen und wird nun Milliardär. Vor Jahren noch bei Facebook als Mitarbeiter abgelehnt, wird Koum nun Mitglied im Verwaltungsrat des sozialen Netzwerks. Wieder eine Traumgeschichte aus dem Silicon Valley und dann noch mit einer anderen Erfolgsstory im Paket verbunden, was will man mehr vom Land der unbegrenzten Wirtschaftsmöglichkeiten. Doch selbst in den USA wird heftig über die Milliardensumme diskutiert. Ist WhatsApp wirklich so viel Geld wert? (siehe Infobox) Hat sich Facebook nicht übernommen mit diesem Deal?

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Die Nutzer und ihre Ängste
Das größte Fragezeichen für den weiteren Erfolg und damit auch die größte Herausforderung für das Aufgehen von WhatsApp in Facebook liegt in den völlig konträren Unternehmensstrategien. Facebook will die Daten der NutzerInnen und mit diesen Geld über Werbung verdienen. Der gläserne Anwender zahlt mit seinen soziodemografischen Daten, um das soziale Netzwerk nutzen zu können. Auf der anderen Seite der "Internet-Rebell" und sein WhatsApp, das sich immer als schlanker, nutzerfreundlicher Dienst präsentiert hatte. "Keine Werbung! Keine Spiele! Kein Schnickschnack!", erinnert eine handschriftliche Notiz, die seit den Anfangszeiten am Tisch von Mitgründer Jan Koum klebt.

Was viele Nutzer nicht wussten, oder nicht wahrhaben wollten, Whatsapp ist bereits eine Schnüffel-App mit weitreichenden Zugriffsrechten gewesen. Wer mit Whatsapp ein Foto gemacht hat, musste den Zugriff auf die Kamera erlauben. Hat die Kamera mnun ihrerseits das Recht die GPS-Koordinaten abzufragen, so kann darüber leicht der Standort ermittelt werden. Zudem kann die App Nachrichtenverläufe und Telefongespräche mitschneiden,  selbst wenn sie nur im Hintergrund läuft und nicht aktiv bedient wird. Dass all diese Daten über US-amerikanische Server gehen, wo sie von Geheimdiensten ausgewertet werden können, ohne dass der Nutzer dies bemerkt,  dürfte wenig überraschen. Wer sichergehen will, dass die eigenen Daten nicht ausgelesen werden, kann nur eines tun WhatsApp löschen.

Doch die Sorge ist berechtigt, dass Facebook diese Daten nun auch massiver nutzen wird, als dies bislang geschah. Vor allem die Verknüpfung der Datensätze und die umfassenden Möglichkeiten in Hinblick auf den gläsernen User sorgen für Diskussionen und berechtigte Ängste. Die Auswirkungen des "American Dream", der nur einige Wenige begünstigt, haben andere zu tragen. Im aktuellen Fall wohl die WhatsApp-Nutzer.

Wandern mehr Kunden ab oder kommen mehr neue?
450 Millionen Anwender nutzten den Dienst auf den unterschiedlichsten mobilen Plattformen. Jeden Tag werden 18 Milliarden Kurznachrichten verschickt, meist kostenlos, oder gegen eine geringe Jahresgebühr, und jeden Tag kommt eine weitere Million Neukunden hinzu. Bislang zumindest. Viele Nutzer haben nach Bekanntwerden der Übernahme ihren Rückzug von WhatsApp angekündigt. Facebook wird es wohl nicht schaden. Es bleibt die Frage, ob mehr Facebook-Anwender den Dienst nutzen, oder mehr bestehende WhatsApp-Kunden abwandern werden.

Auch wenn es von offizieller Seite nun heißt, dass es keine Änderungen für die Anwender geben und  WhatsApp weiterhin unabhängig agieren werde, sind die Aussichten wenig rosig. Datenschützer zeigten sich besorgt über die Übernahme. Es wird erwartet, dass Facebook nach der Übernahme von WhatsApp Informationen aus dem Kurznachrichtendienst mit eigenen Daten zusammenführt. So meinte der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar, wegen des hohen Kaufpreises  "kann man davon ausgehen, dass eine Kapitalisierung über die personenbezogenen Daten der Nutzer erfolgen muss".

Auch die deutschen Verbraucherschützer rechnen mit einem Zugriff von Facebook auf die WhatsApp-Informationen. "Wir gehen davon aus, dass diese Daten auch mit den Facebook-Daten verknüpft werden", sagte Boris Wita von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. "Das ist für Facebook bares Geld wert." Die Unternehmen betonten dagegen, dass WhatsApp weiterhin unabhängig agieren werde. "Facebook ist ja nun keine Wohltätigkeitsorganisation, also hier stecken ganz klar auch wirtschaftliche Interessen dahinter", sagte Carola Elbrecht, Digitalexpertin vom Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin.

Die falschen Hoffnungen und die Freude der Telekomprovider
Die Auswirkungen auf den Mobilfunkmarkt sind ebenfalls nur schwer abzusehen. WhatsApp hat in vielen Fällen die klassische SMS ersetzt, diese war aber ohnehin kein Gewinnbringer mehr für die Provider. Zudem sorgen steigende Mobiltelefoniekosten ohnehin für weiteren Gram. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Nutzer zurück zu Altbekanntem, das ohnehin nicht mehr die Nutzererwartungen befriedigte,  wechseln werden. Die Zeit scheint also reif, für neue Start-Ups und Alternativen.

Die Alternativen
Kaum war die Übernahme bekannt gegeben worden, waren auch schon die ersten neuen Dienste, bislang meist noch unter der Wahrnehmungsschwelle der breiten Smartphone-Nutzer-Basis, in aller Munde. Allen voran die Anwendung Threema. Diese, entwickelt vom Schweizer Informatiker Manuel Kasper, bietet so wie zahlreichen anderen WhatsApp-Klone die Möglichkeit Bilder zu verschicken, Links austauschen und Gruppen-Chats zu führen. Doch mit einem großen Unterschied: Threema setzt auf eine sogenannte asymmetrische Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Diese soll  garantieren, dass nur der Absender und der Empfänger die Nachricht lesen können. Die Verschlüsselung geschieht direkt auf dem jeweiligen Endgerät, dadurch sei sichergestellt, dass kein Dritter - nicht einmal der Serverbetreiber  - die Inhalte der Nachrichten entschlüsseln kann.

Die Verschlüsselung von Nachrichten über Threema ist denkbar einfach. Die App lässt die Anwender beim ersten Starten ein individuelles Schlüsselpaar erstellen – hierzu reicht es auch ein paar Sekunden mit zufälligen Bewegungen über ein Feld zu wischen. Aus dieser zufälligen Abfolge wird ein Schlüsselpaar, bestehend aus einem privaten und einem öffentlichen Schlüssel, errechnet. Der private Schlüssel bleibt nun auf dem Endgerät gespeichert, der öffentliche muss  verteilt werden, da ohne diesen keine Entschlüsselung möglich ist.

In weiterer Folge wird aus dem öffentlichen Schlüssel des Empfängers und dem privaten des Senders ein dritter Schlüssel errechnet, der die jeweilige Nachricht für fremde Augen unlesbar macht. Nach Angaben des Entwicklers, würde sich selbst die NSA an der Verschlüsselung die Zähne ausbeißen. Die Verschlüsselung ist jedoch keine Eigenentwicklung von Kasper, sondern eine fertige, aber bewährte Kryptografie-Lösung namens "NaCl Cryptography Library". Diese wurde unter anderem vom Mathematiker und Kryptografie-Experten Daniel Bernstein mitentwickelt.