Wien. Im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen, dem Ruf nach einem neuen Verwertungsrecht, Datenschutz und Spionage, werden nun auch Netzsperren und Zensurvorwürfe ins Spiel gebracht.

Der Grund: Der OGH folgte einem Grundsatzurteil des EuGH und entschied, dass Internetanbieter dazu verpflichtet werden können, den Zugriff auf Webseiten mit illegalen Inhalten zu sperren.

Produzenten gegen UPC
Die Einstweilige Verfügung gegen den Internetprovider UPC Telekabel Wien, der 2011 den Zugang zum Urheberrechte verletzenden Portal kino.to sperren musste, wurde zu Recht erlassen. Dies bestätigte der Oberste Gerichtshof (OGH) am Dienstag im Rechtsstreit von österreichischen und deutschen Filmproduzenten gegen UPC rund um den illegalen Zugriff auf Filme im Internet.

UPC hatte stets geltend gemacht, dass der Provider lediglich den Zugang zum Internet vermittle, nicht jenen zu illegalen Webseiten. Der Oberste Gerichtshof hatte dazu den EuGH um Auslegung der EU-Urheberrechtsrichtlinie ersucht. Ende März urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Zugangssperren vom Provider verlangt werden können, wenn eine begründete Aufforderung der Rechteinhaber besteht (C-314/12). Dieser Linie folgt nun der OGH-Beschluss.

"Ein erwachsenes und sauberes Web"

"Endlich erleben wir einen weiteren wichtigen Schritt zu einem erwachsenen und sauberen Web", freute sich der Verein für Anti-Piraterie (VAP) in einer Reaktion auf das OGH-Urteil. Filmproduzent Veit Heiduschka ("Das weiße Band", "Amour"), der als Kläger im Fall auftritt, fordert nun ein rasches Trockenlegen jener Angebote, "die auf gewerbsmäßigen Urheberrechtsverletzungen aufbauen".

Neben kino.to, das 2011 den Betrieb einstellte, geht es laut dem VAP europaweit um "höchstens 100 Webseiten", die dieses Urteil betreffen werde. Zugangssperren gegen diese Seiten, die durch den hohen Nutzerverkehr mittels Streuwerbung vielfach Millionengewinne erzielten, gebe es bereits in elf EU-Ländern. Der VAP hofft, wie etwa in Irland, nun auf ein "Memorandum of Understanding" zwischen Providern und Kreativwirtschaft. In Irland wurde dieses Memorandum auch von UPC mitgetragen.

"OGH-Urteil drängt Provider in Richterrolle"
Nach dem EuGH hat sich nun auch der Oberste Gerichtshof als letzte Instanz zum Fall kino.to geäußert: Internetanbieter können von Rechteinhabern aufgefordert werden den Zugang zu einer Webseite zu sperren, auf der ihre Werke ohne ihre Zustimmung zur Verfügung gestellt werden. Einen Nachweis muss der Rechteinhaber dazu nicht erbringen, es reicht die Behauptung, dass seine Rechte verletzt werden. Selbst eine Weigerung des Providers und eine anschließende Klage des angeblichen Rechteinhabers führen noch nicht zu einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Forderung. Zuerst muss sich der Internetanbieter zu einer Beugestrafe verurteilen lassen, erst wenn er dagegen beruft, wird die inhaltliche Richtigkeit der Sperraufforderung überprüft.

Für Maximilian Schubert, Generalsekretär der ISPA, bringt das die Internet Service Provider in eine sehr problematische Situation: "Wir können uns jetzt aussuchen, ob wir Richter spielen und die Rechtmäßigkeit jeder Sperraufforderungen überprüfen und beurteilen oder jedem Begehren blind nachkommen." Zu ersterem werden die vielen kleinen Provider kaum in der Lage sein, da ihnen die notwendigen Ressourcen und das rechtliche Know-how zur Beurteilung der teilweise äußerst komplizierten und komplexen Urheberrechts- und Rechtelage fehlen. "Aber egal wofür sich der Anbieter entscheidet, er setzt sich immer dem Klagsrisiko aus – entweder durch die angeblichen Rechteinhaber oder durch seine eigenen Kundinnen und Kunden, die  den Zugriff auf gesperrte Seiten bei ihm einfordern können", fasst Schubert resigniert zusammen. "Wir lehnen es aber ab, uns den Schwarzen Peter zuschieben zu lassen und haben deswegen von Anfang an gefordert, dass ausschließlich Richterinnen und Richter über allfällige Sperren entscheiden. Darüber hinaus müssen alle Sperren in einem Transparenzbericht aufgelistet und periodisch einer richterlichen Überprüfung unterzogen werden. Nur so kann man einen Sperrfriedhof oder Zustände wie in Großbritannien, wo bereits fast jede fünfte Webseite gesperrt ist, verhindern." Die einzige Möglichkeit, die Internetanbieter jetzt haben und auch nutzen werden, ist ein klarer Hinweis, wer die jeweilige Sperre verlangt hat. Denn laut dem OGH-Urteil können Userinnen und User sowohl gegen den eigenen Provider als auch gegen den Rechteinhaber vorgehen.

Schubert möchte aber keinesfalls den Eindruck erwecken, dass die Internetbranche illegale Inhalte fördert oder auch nur akzeptiert. "Es geht hier schlicht um die Art und Weise, wie dagegen vorgegangen wird. Erstens lassen sich Sperren immer umgehen, zweitens weckt Sperrinfrastruktur, sobald sie einmal vorhanden ist, immer Begehrlichkeiten; und von dort ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Missbrauch." Die ISPA Forderung "Löschen statt Sperren" ist beinahe so alt wie die ISPA selbst.

Reimon: Netzsperren kein adäquates Mittel
"Netzsperren sind kein adäquates Mittel zum Urheberrechtsschutz", kritisiert Michel Reimon, Telekom- und Netzpolitiksprecher der Grünen Fraktion im Europaparlament, und bezieht sich damit auf die jüngste Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, der das EuGH-Grundsatz-Urteil zum Thema Netzsperren bestätigt hat. "Wenn die Gerichte aufgrund der geltenden Gesetze so entscheiden, müssen eben diese Gesetze geändert werden."

"Die EU-Urheberrechtsrichtlinie muss hier dringend angepasst werden, das steht in der laufenden Periode ohnehin am Programm. Netzsperren für Kinofilme und Zensur von politisch relevanten Inhalten sind technisch kein Unterschied, letzteres ist dann nur noch ein kleiner Schritt. Dem muss das Europäische Parlament einen Riegel vorschieben", meint Reimon.

NEOS kritisiert OGH-Entscheidung zu Netzsperren
Der Oberste Gerichtshof hat heute die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes bestätigt, wonach Internetprovider verpflichtet werden können, den Zugang zu Internetportalen zu blockieren, wenn die dortigen Angebote das Urheberrecht verletzen. Niko Alm, NEOS-Sprecher für Netzpolitik, kritisiert diese Entscheidung: "Netzsperren sind kein brauchbares Mittel, um gegen Urheberrechtsverletzungen vorzugehen. Sie stellen hingegen ein Einfallstor für Zensurmaßnahmen dar, die Begehrlichkeiten wecken könnte, auch andere - unwillkommene, aber legale - Inhalte zu sperren. Die Energie zur Errichtung einer Infrastruktur zur Blockade von Inhalten sollte besser zur tatsächlichen Aufklärung eingesetzt werden."

Alm unterstrich, dass es bereits andere Möglichkeiten gibt, gegen Urheberrechtsverletzungen vorzugehen: "Wie bei allen anderen illegalen Inhalten im Netz gibt es auch bei solchen, die Urheberrechte verletzen, einen Weg: Löschen - statt Sperren!"

Himmelbauer: Entscheidung des OGH zu Netzsperren bedenklich
Ernüchtert zeigte sich heute Dienstag die ÖVP-Sprecherin für Telekommunikation Abg. Eva-Maria Himmelbauer, über das Urteil des OGH, wonach Netzsperren aus urheberrechtlichen Gründen zulässig seien: "Dass Netzsperren bei Kinderpornographie, Hetze, Aufforderungen zu terroristischen Handlungen und weiteren schwerwiegenden Straftatbeständen zulässig seien, ist selbstverständlich, dass diese aber auch aus urheberrechtlichen Gründen möglich seien, stimmt mich schon bedenklich."  so Himmelbauer.

Für Himmelbauer ist der Schutz der Rechte der Kulturschaffenden ein wichtiges Anliegen, dabei muss jedoch immer die Verhältnismäßigkeit des Eingriffes bewertet werden: "Netzsperren sind ein schwerer Eingriff in das freie Internet und demokratiepolitisch bedenklich; um Künstlerinnen und Künstlern ein bessere Rechtssicherheit bei Urheberrechtsverletzungen bieten zu können benötigen wir eher andere Maßnahmen, wie zum Beispiel ein modernes Urheberrecht, das auch Herausforderungen im Zeitalter des Internets berücksichtigt." schloss Himmelbauer