Washington. Im US-Sicherheitsapparat gibt es nach den Enthüllungen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden möglicherweise eine weitere undichte Stelle. Wie am Dienstag aus Regierungskreisen verlautete, erwägen Vertreter der Geheimdienste, das US-Justizministerium um die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens zu bitten. Es bestehe der Verdacht, dass ein geheimes Dokument zur Terrorismusabwehr an die Webseite The Intercept weitergeleitet worden sei.
Dabei handelt es sich um eine Statistik einer US-Datenbank mit den Namen von 680.000 Personen. Die Sammlung ist unter anderem die Grundlage für eine Liste unerwünschter Flugpassagiere (no-fly list), auf der 47.000 Namen aufgeführt sind. Dem Dokument zufolge gibt es bei 280.000 der 680.000 Personen keine bekannte Verbindung zu einer "Terrorgruppe" wie Al-Kaida, Hamas oder Hisbollah.
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Ein neuer Informant?
The Intercept veröffentlichte die Statistik am Dienstag. Weil das Dokument auf August 2013 datiert ist, spekulieren US-Medien darüber, dass es neben Snowden einen weiteren Informanten in den Sicherheitsbehörden geben könnte. Der frühere Geheimdienstmitarbeiter arbeitete bis Mai 2013 für die NSA. Ein Regierungsvertreter sagte, man sei sich nicht sicher, ob es einen weiteren Informanten gebe.
Die Zahl der Namen auf dieser Liste habe sich seit dem Amtsantritt von Präsident Barack Obama Anfang 2009 mehr als verzehnfacht und liege bei 47.000, berichtete "The Intercept". Vor den Anschlägen vom 11. September 2011 hätten gerade einmal 16 Menschen auf der No-Fly-Liste gestanden.
Ein Verdacht genügt
Im vergangenen Monat hatte "The Intercept" berichtet, wie leicht Menschen ins Visier der US-Terrorfahnder geraten können. Bereits ein nicht näher zu begründender "angemessener Verdacht" reicht demnach aus, um auf die Liste potenzieller Extremisten gesetzt zu werden. "Unwiderlegbare Beweise" oder "konkrete Fakten" seien "nicht nötig", bestimmt das Regelwerk. Die Betroffenen haben keine Möglichkeit herauszufinden, ob sie auf der Liste stehen.
Die 166 Seiten lange Anweisung des US-Terrorabwehrzentrums NCTC mit dem Titel "Watchlisting Guidance" (etwa: Leitlinie für Überwachungslisten) vom März 2013 richtet sich laut "The Intercept" an zahlreiche US-Sicherheitsbehörden wie die CIA und die NSA, die potenzielle Extremisten für die Aufnahme in die Datenbanken vorschlagen. Den neuen Enthüllungen am Dienstag zufolge werden jeden Tag 240 "Nominierungen" bearbeitet.