Istanbul. Ein Gericht in der Türkei hat die Sperrung von Internetseiten angeordnet, die das Titelbild der neuen Ausgabe der französischen Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" zeigen. "Es wurde entschieden, den Zugang zu relevanten Sektionen von Internetseiten, die heute die Titelseite von 'Charlie Hebdo' zeigen, zu blockieren", erklärte das Gericht am Mittwoch laut der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu.
Auf der Titelseite der am Mittwoch veröffentlichten ersten Ausgabe von "Charlie Hebdo" seit dem islamistischen Angriff auf die Zeitschrift vor einer Woche ist ein weinender Prophet Mohammed zu sehen, der unter der Überschrift "Alles ist verziehen" ein Schild mit der Aufschrift "Je suis Charlie" hält.
Kritik von vielen Muslimen
Bei dem Angriff auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" hatten am vergangenen Mittwoch zwei radikale Islamisten zwölf Menschen getötet, darunter vier Zeichner. Die Zeitschrift hatte in den vergangenen Jahren mit Mohammed-Karikaturen immer wieder den Zorn radikaler Muslime auf sich gezogen.
Auch das Titelblatt der aktuellen Ausgabe stieß weltweit bei vielen Muslimen auf Kritik. Die renommierte Al-Azhar-Universität in Kairo warnte, die Karikatur schüre "den Hass" und behindere "die Integration" der Muslime in Europa. Auch der Iran verurteilte die Zeichnung als "Provokation".
Cumhuriyet beweist Mut
Als einzige Zeitung in der mehrheitlich muslimischen Türkei druckte das linksnationalistische Oppositionsblatt "Cumhuriyet" ("Republik") mehrere Karikaturen aus der neuen Ausgabe von "Charlie Hebdo" nach. Dagegen regte sich Protest: Vor dem Redaktionsgebäude in Ankara demonstrierten nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi pro-islamische Studenten.
Der "Cumhuriyet"-Chefredakteur Utku Cakirözer berichtete der Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch, telefonische Drohungen erhalten zu haben. Der Abdruck des vierseitigen Auszugs aus der französischen Satirezeitung sei "ein Zeichen der Solidarität", erklärte Cakirözer. In einer Kommentarspalte ist zudem eine kleine Version des Titelbilds mit einem weinenden Propheten Mohammed abgedruckt.
Alle anderen Medien in der Türkei verzichteten auf Nachdrucke aus "Charlie Hebdo", mehrere Satireblätter bekundeten allerdings mit schwarzen Titelseiten und "Je suis Charlie"-Aufdruck ihre Solidarität mit den Opfern.