Washington. Der US-Abhördienst NSA und sein britisches Pendant GCHQ (Government Communications Headquarters) haben laut der neuesten Snowden-Enthüllung in großem Stil Verschlüsselungscodes für Handy-SIM-Karten gestohlen. Laut dem NSA-Dokument aus dem Jahr 2010 sei der Kartenhersteller Gemalto ins Visier genommen worden, berichtete die Enthüllungs-Website "The Intercept". Dem geheimen Unterlagen zufolge verschafften sich die Geheimdienste die Verschlüsselungscodes, indem sie die private Kommunikation von Gemalto-Informatikern durchforsteten.
Die erbeuteten Schlüssel zu den SIM-Karten ermöglichten es, unauffällig die Kommunikation von Nutzern zu überwachen. Dadurch könnten die Geheimdienste sowohl Handygespräche abhören, als auch Datenströme von Smartphones anzapfen. Belege darüber gibt es bislang nicht.
Gemalto
Gemalto, Hersteller von rund zwei Milliarden SIM-Karten im Jahr, zeigte sich sehr besorgt. Jetzt sei das Wichtigste zu verstehen, wie der Angriff passieren konnte, um eine Wiederholung zu verhindern, so Gemalto-Manager Paul Beverly zu "The Intercept".
Gemalto mit Sitz in den Niederlanden stellt Chip- und Magnetstreifenkarten wie SIM-Karten für Handys, Kreditkarten, elektronische Pässe, Gesundheitskarten, Unternehmensausweise, EC-Karten her. Bereits 2010 kam das Unternehmen in die Schlagzeilen, nachdem die Chips von rund 30 Millionen deutschen EC- und Kreditkarten zeitweise nicht mehr funktionieren. Grund dafür war offenbar ein Programmierfehler seitens Gemalto, durch den die Chips die Jahreszahl 2010 nicht richtig verarbeiten konnten.
Größere Ausmaße als gedacht
Die Affäre um die Geheimdienste in den USA und Großbritannien könnte noch größere Ausmaße haben als bislang gedacht. Dem Nachrichtenportal Intercept zufolge haben sich NSA und das britische Pendant GCHQ Zugriff auf SIM-Karten des Anbieters Gemalto verschafft, der für alle großen Telekommunikationsunternehmen tätig ist. Die Geheimdienste hätten die Passwörter der Karten, mit denen Handy-Telefonate oder mobile Internet-Verbindungen verschlüsselt werden, geknackt. Damit könnten sie einen Großteil der Gespräche und des Datenaustausches rund um den Globus auch ohne Genehmigung von Behörden und Telekom-Firmen verfolgen, berichtete Intercept am Donnerstag unter Berufung auf Dokumente des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden.
Eine GCHQ-Sprecherin sagte, der Dienst äußere sich nicht dazu. Die NSA war zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar.
Der Bericht schickte Gemalto-Aktien am Freitag auf Talfahrt. Die Papiere des niederländisch-französischen Unternehmens fielen um bis zu zehn Prozent auf 65,43 Euro. Das ist einer der größten Kursstürze der Firmengeschichte. Sollten sich die Angriffe der Geheimdienste als wahr herausstellen, wäre dies für das Ansehen von Gemalto sehr schädlich, sagte ein Händler in Paris.
Gemalto, das unter anderem SIM-Karten für 450 Mobilfunk-Unternehmen herstellt, darunter die US-Anbieter Verizon und AT&T, wollte sich nicht äußern, ob es Opfer eines Hackerangriffs sei. Gemalto nehme den Bericht aber sehr ernst und habe Untersuchungen eingeleitet, sagte eine Sprecherin. Gemalto stellt auch digitale Sicherheitstechnik und Chips für Bank-Karten und biometrische Ausweise her.
Die Spähaktionen von NSA und GCHQ sind weltweit in die Kritik geraten. Die NSA-Affäre hat auch die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA belastet, weil selbst Kanzlerin Angela Merkel ins Visier der Geheimdienstler geraten ist.