Wien. Manchmal braucht es eine ganze PR-Armada, um Themen halbwegs prominent in Medien zu platzieren, manchmal reicht ein kleines Rautezeichen. Mit "#aufschrei" ist jungen deutschen Frauen im Frühjahr 2013 eine breite öffentliche Debatte über die Problematik Alltagssexismus gelungen. Anne Wizorek, eine der Mit-Initiatorinnen ist am Freitag zu Gast beim "Open House" im Frauenministerium in Wien.
Die Twitter-Aktion habe den Alltagssexismus sichtbar gemacht. Das Thema sei aber "nicht abgehakt", erklärte die deutsche Netzaktivistin im Gespräch mit der APA: "Die mediale Debatte wird heute nicht mehr so geführt wie Anfang 2013, aber der Grundtenor ist da und das zeigt, dass wir am Ball bleiben müssen." Das Thema sei weiterhin in vielen verschiedenen Facetten präsent, verwies sie etwa auf sexuelle Belästigung, Übergriffe, aber auch Stereotype etwa in der Diskussion über Frauenquoten.
Einfach einmal offline gehen
Dass sich Frauen mit starker politischer Meinung äußern, führt mitunter dazu, angegriffen zu werden. "In der Hochphase von '#aufschrei' war das am stärksten. Ich habe zwar damit gerechnet, weil ich online schon Erfahrungen gesammelt habe, aber das ist nichts, worauf man jemanden vorbereiten kann", stellte Wizorek fest. Wie geht sie mit virtuellen Angriffen um? "Es gibt keine ultimative Strategie. Generell kann ich aber sagen, dass es wichtig ist, Zeit zu finden, dass man sich Pausen nimmt und auch einfach mal komplett offline geht."
Ein "Shitstorm" im Internet sei schwer zu verarbeiten, Internet-Pausen sind ihrer Erfahrung nach notwendig, auch könne man sich mit Menschen umgeben, die halbwegs verstehen was man durchmacht: "Das kann schon helfen." Mundtot sollte man sich allerdings auch nicht machen lassen, denn dann hätten die Angreifer ja ihr Ziel erreicht.
Feminismus und Medien
"Medien und Feminismus im Wandel - 20 Jahre nach der Weltfrauenkonferenz" lautet der Titel der Diskussionsveranstaltung am Freitag im Frauenministerium, bei der auch Wizorek spricht. Was die 80er- und 90er-Jahre betrifft, erinnert sie sich an das medial vermittelte Bild der Karrierefrau. Inzwischen habe sich aber gezeigt, dass das Thema Gläserne Decke nicht abgehakt ist, verwies die Beraterin und Autorin auf den geringen Frauenanteil in der Chefetage. Wizorek tritt "absolut" für eine Frauenquote ein, schließlich habe man "lange genug gesehen, dass verfestigte Machtstrukturen nicht von allein aufgebrochen werden".
Aktuell würden Sendungen wie "Germany's Next Top Model" wiederum ein Bild des weiblichen Erfolgs über das gute - und möglichst schlanke - Aussehen definieren. "Es ist schon schwierig, wenn gerade junge Mädchen diese Botschaft gesendet bekommen. Das legt den Grundstein dafür, dass sie sich nicht mit ihren eigentlichen Stärken beschäftigen", kritisiert Wizorek. Zum Schlagwort "sexting" - das Versenden und Tauschen von Nacktfotos - pocht sie auf Medienkompetenz, nicht nur der Mädchen, sondern insbesondere der Burschen und Eltern.
Geht es nach Wizorek, sollte zum Frauentag 2025 nicht mehr darüber diskutiert werden, ob es Sexismus überhaupt gibt, sondern das Problem klar anerkannt sein. Gefallen würde ihr auch eine Kampagne, in der möglichst prominente Männer ein neues Männerbild vertreten, das auch Emotionen zulässt, und für Feminismus eintreten. "In zehn Jahren sollte das normal werden", meinte sie.
Die deutsche Netzaktivistin wurde zu Jahresbeginn 2013 durch die Twitter-Aktion "#aufschrei" bekannt. Unter diesem Schlagwort wurden Erfahrungen mit Sexismus und sexueller Gewalt gegen Frauen gesammelt. "#aufschrei" war übrigens keine Reaktion auf den zufällig zeitgleich publizierten "Stern"-Artikel "Der Herrenwitz". Die mediale Debatte um Alltagssexismus wurde dadurch aber verstärkt.
Im vergangenen Herbst veröffentlichte Wizorek ihr Buch "Weil ein Aufschrei nicht reicht: Für einen Feminismus von heute". Das Buch sei als Einstiegswerk gedacht, es soll Menschen helfen, in die Thematik einzusteigen und sich damit weiter zu beschäftigen. Grundsätzlich sieht sie die Gesellschaft, also Männer wie Frauen, gefordert.