Bonn. Das deutsche Bundeskartellamt sorgt sich um den Wettbewerb im Internet und will deshalb Online-Riesen stärker ins Visier nehmen. Es sei eine Kernaufgabe der Behörde, "missbräuchliche Verhaltensweisen der großen Player schnell und konsequent zu verfolgen, um so die Märkte für neue Geschäftsmodelle offen zu halten", sagte Kartellamtspräsident Andreas Mundt am Mittwoch in Bonn.
Die Wettbewerbspolitik werde durch neue digitale Geschäftsmodelle vor neue Aufgaben gestellt. Um diese zu bewältigen, habe die Kartellbehörde eigens eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Die Wettbewerbshüter hatten bereits Internet-Riesen wie Amazon ins Visier genommen. Derzeit untersuchen sie Geschäftspraktiken von Facebook.
"Wir führen eine konsequente Missbrauchsaufsicht durch, wir wollen das Internet offen halten", versicherte Mundt. Das sei aber eine Aufgabe, die nicht an nationalen Grenzen halt mache - seine Behörde arbeite deshalb eng mit den Wettbewerbshütern der EU-Kommission zusammen. Diese ermittle gegen den US-Konzern Google, seine Behörde untersuche Facebook. "Beides sind sehr grundsätzliche Fälle", betonte Mundt. Bei Facebook gehe es um die Verwertung von Daten. Die Bonner Behörde prüft, ob das größte Internet-Netzwerk seine Marktmacht mit über 1,6 Milliarden Nutzern missbraucht.
Der US-Konzern erhebe persönliche Daten aus verschiedenen Quellen und ermögliche durch die Nutzerprofile seinen Anzeigenkunden eine zielgenaue Werbung: "Facebook erhebt Daten und monetarisiert sie." Das Kartellamt verschaffe sich nun in Gesprächen mit Konkurrenten und Nutzern ein Bild, sagte Mundt. Kommt die Behörde zu dem Schluss, dass Facebook mit Hilfe seiner schieren Größe versucht, andere aus dem Markt zu drängen, droht Facebook indes keine Geldstrafe. Mundts Behörde geht mit Hilfe eines Verwaltungsverfahrens gegen Facebook vor - kommt das Kartellamt zu einer für Facebook negativen Entscheidung, müsste der Konzern etwaige strittige Praktiken abstellen. Die Ermittlungen seien umfangreich, 2016 würden sie nicht mehr zu Ende gebracht, sagte Mundt.
Hilfe im Kampf gegen mögliche Monopole von Internet-Konzernen erwartet Mundt auch vom Gesetzgeber. Die anstehende Novelle des Kartellrechts werde sich auch mit dem Internet befassen, sagte Mundt.
Wegen verbotener Absprachen hat das Bundeskartellamt 2015 Bußgelder in Höhe von 208 Mio. Euro verhängt. Diese Gesamtsumme verlangte die Behörde von 45 Unternehmen und 24 Privatleuten, wie das Kartellamt in seinem Jahresbericht mitteilte. Betroffen waren unter anderem Automobilzulieferer, Matratzenhersteller, Anbieter von Containertransporten und Hersteller von Fertiggaragen.
Die Summe von 208 Mio. Euro ist nur ein Bruchteil dessen, was im Jahr 2014 an Bußgeldern fällig war. Damals waren drei umfangreiche Verfahren gegen Wursthersteller, Brauereien und Zuckerhersteller abgeschlossen worden und die Bonner Behörde forderte von 83 Unternehmen und 81 Privatpersonen insgesamt 1,117 Mrd. Euro Bußgeld.
Im ersten Halbjahr 2016 verhängte das Kartellamt bereits Bußgelder in Höhe von rund 99 Mio. Euro. Abgeschlossen wurden unter anderem Ermittlungen gegen Großhändler der Sanitär- und Heizungsbranche und gegen Hersteller und Händler von Lebensmitteln wegen Absprachen über Verkaufspreise.
Die Zahl der abgeschlossenen und neuen Kartellverfahren sei weiterhin "auf einem hohen Niveau", erklärte Mundt. Seine Behörde schaue sich sowohl in kleinen als auch in großen Branchen Fälle an, darunter Absprachen zwischen Wettbewerbern sowie zwischen Herstellern und Händlern.
Neben möglichen Preisabsprachen prüft die Behörde auch Fusionen von Unternehmen. 2015 untersuchte das Kartellamt knapp 1.200 Fusionsvorhaben. Ein Zusammenschluss wurde untersagt - die Übernahme der Supermärkte von Kaiser's Tengelmann durch den Marktführer Edeka. Die Fusion wurde letztlich aber doch noch unter scharfen Auflagen durch eine Sondererlaubnis von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) genehmigt.
Inzwischen prüft das Kartellamt, ob der Konkurrent Rewe die Mehrheit an der vor allem in Norddeutschland aktiven Supermarktkette Coop übernehmen darf. Wie beim Verfahren zu Edeka und Kaiser's Tengelmann schaue sich seine Behörde auch hier "die betroffenen regionalen Märkte genau an", betonte Mundt. Der Lebensmitteleinzelhandel sei eine hoch konzentrierte Branche, die das Kartellamt weiter beschäftigen werde.