Wien. Donald Trump ist nicht nur im Epizentrum der Macht angekommen, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft. Genau dorthin will auch einer der wichtigsten Wahlkampfhelfer des neuen US-Präsidenten, das Webportal Breitbart. Und die Betreiber der Seite sind auf gutem Wege: Von zwölf Millionen monatlichen Seitenaufrufen im Gründungsjahr 2012 steigerte sich das Portal eigenen Angabe zufolge auf insgesamt zwei Milliarden im vergangenen Wahljahr. Konservative Konkurrenzmedien wie Fox News verbuchten geringere Zugriffszahlen, auch die Seite der renommierten "Washington Post" ließ Breitbart hinter sich.

Stephen Bannon war der Kopf hinter dem Aufstieg Breitbarts - mittlerweile ist er Chefstratege des neuen Präsidenten. Wie Trump setzt Breitbart auf permanente Provokation und Grenzüberschreitung. Zwei von vielen möglichen Beispielen: Die Pille mache aus Frauen "Schlampen", hieß es in einem Artikel. Und die frühere Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords, die angeschossen und dabei fast getötet wurde, diene Waffengegnern als "menschlicher Schutzschild".
"Rechtsradikale" Attacken
"Breitbart vereint inhaltliche Widersprüche", sagt der Politologe und USA-Experte David M. Wineroither zur "Wiener Zeitung". "Einerseits sind die Autoren gegen staatliche Eingriffe in den USA, erst recht gegen Umverteilung via Steuern und sozialstaatlichen Programmen. Gegenüber anderen Staaten ist Protektionsmus sehr wohl willkommen, etwa in Form aggressiver Handels- und Zollpolitik. Insofern ähnelt Breitbart bestimmten rechtspopulistischen Parteien in Europa. In ihren Attacken auf politisch Andersdenkende ist Breitbart rechtsradikal, weil verleumderisch, verächtlich und mit einer Tendenz zur Tolerierung von Gewalt gegenüber Einzelnen wie Gruppen", schlussfolgert Wineroither, derzeit Gastprofessor an der Universität Alberta. Beispielsweise bezeichnete Breitbart den konservativen Publizisten Bill Kristol als "abtrünnigen Juden", weil er sich weigerte, Trump im Präsidentschaftswahlkampf zu unterstützen.
Prominente Konzerne wollen in diesem Umfeld nicht (mehr) werben. Der Nahrungsmittelhersteller Kelloggs sah seine "Werte nicht in einer Linie" mit Breitbart. Das Portal kontert seit Ende November mit der Kampagne "Dump Kelloggs" ("Wirf Kellogs weg") und ortet eine "Eskalation des Krieges linkslastiger Firmen gegen konservative Kunden". Breitbarts Boykottaufrufen zum Trotz schwappte die Kontroverse nach Europa über und auch hier begannen Unternehmen, ihre Werbepolitik zu hinterfragen. So stellten etwa die deutschen Großkonzerne BMW, Telekom und Lebensmittelhändler Rewe sicher, dass ihre Online-Werbung nicht auf Breitbart erscheint.
Auch mindestens drei der zehn größten österreichischen Werbekunden waren auf Breitbart vertreten, wie Screenings der "Wiener Zeitung" im Dezember und Jänner ergaben. Darunter ist die Nummer eins, Rewe, für den "Media Focus Research" von Jänner bis November 2016 (die Dezember-Daten sind noch nicht verfügbar) 114,4 Millionen Euro Bruttowerbewert errechnete; von Zeitungsanzeigen über TV- und Radio-Spots, Plakatwerbung bis hin zum Online-Banner. Auf Breitbart erschienen Bannerwerbungen der Rewe-Handelsfirmen Billa und Merkur. Ebenfalls auf Breitbart zu sehen war eine Anzeige des drittgrößten Werbers, Möbelhändler Lutz, für seine Diskontschiene Mömax. Mit Hofer tauchte ein weiterer Lebensmittelhändler, Nummer neun im Ranking der Top-Werber, auf Breitbart auf.
"Wir haben die Anzeige auf breitbart.com geprüft und festgestellt, dass es sich dabei um keine gezielt geschaltete Werbung handelt, sondern die Ausspielung über Google Advertising stattfindet", erklärt Hofers PR-Agentur in einer Stellungnahme an die "Wiener Zeitung". Die Lutz-Gruppe richtet aus: "Wir prüfen gerade, über welchen Drittanbieter dort Anzeigen auftauchen könnten. Es ist auf alle Fälle nicht in unserem Sinne." Und auch der Rewe-Sprecher weiß nichts von einer bewussten Schaltung auf Breitbart: "Alle unsere Schaltungen laufen über unsere Mediaagentur. Wir distanzieren uns klar von jeglichen Webseiten mit rechten, pornografischen und ethisch nicht korrekten Inhalten."
Tücken der Online-Werbung
Online-Werbung funktioniert nach ganz anderen Prinzipien als bei Zeitungen oder dem Fernsehen. Die Werbekunden buchen in der Regel nicht einzelne Werbeplätze auf bestimmen Webseiten, sondern Zielgruppen, die sie im Netz erreichen wollen. "Der Kunde kann dabei beispielsweise nach Geschlecht oder Alter segmentieren. Dazu kommen von Datenlieferanten weitere Details, die vom Haushaltseinkommen bis zur Lieblings-Automarke reichen können, die an die Werbetreibenden verkauft werden", erklärt Thomas Wusatiuk, Leiter der Salzburger Agentur "get on top", die auf Online- und Performance Marketing spezialisiert ist.
Es geht also meist darum, die Zielgruppe mit der Werbung einzufangen, unabhängig davon, ob sich diese gerade auf einem Online-Forum oder einer Nachrichtenseite befindet. "Eine mittelgroße Online-Werbekampagne wird so in der Regel auf mehr als 10.000 unterschiedlichen Webseiten ausgespielt", sagt Marketing-Fachmann Wusatiuk der "Wiener Zeitung". Welche Seiten darunter im Detail sind, weiß der Werbetreibende selbst nur in den seltensten Fällen.