Menlo Park/Washington. (sei/apa/dpa) Der Facebook-Account des Kanadiers Christopher Wylie wurde am Sonntag gesperrt und dessen Instagram-Account (Instagram gehört zum Facebook-Datenimperium) gleich dazu. Das wäre nichts Ungewöhnliches, denn Facebook und Instagram sperren jeden Tag tausendfach Accounts, weil User gegen Nutzungsrichtlinien verstoßen und etwa Pornografie oder auch nur Nacktbilder posten, gegen Personengruppen hetzen, andere illegale Akte setzen oder schlicht gegen das gute Benehmen auf diesen Plattformen verstoßen.
Bei Christopher Wylie liegt der Fall aber anders: Wylie war einer der Mitbegründer der Datenanalysefirma Cambridge Analytica, einer Firma, die nach dem Brexit-Referendum und nach der Wahl von Donald Trump in den USA ins Gerede gekommen ist. Denn Cambridge Analytica hat bei der digitalen Strategie der Trump-Kampagne eine herausragende Rolle gespielt. Der spätere enge Berater von Donald Trump, Steve Bannon, der damals auch Chef der Rechts-außen-Propaganda-Website "Breitbart" war, war im Jahr 2014 Chef von Wylie bei Cambridge Analytica und der geheimnisvolle Hedgefonds-Milliardär und Großspender der republikanischen Partei Robert Mercer war Investor bei diesem Unternehmen. Robert Mercer und seine Ehefrau Rebekah Mercer haben sich im Jänner 2018 öffentlich mit Bannon gebrochen.
Aber zurück zu Christopher Wiley, dem heute 28-jährigen Kanadier, der von Facebook gesperrt wurde. Am Sonntag veröffentlichte die britische Zeitung "Observer" (die Sonntagsausgabe des "Guardian") und die "New York Times" auf Wilyes Aussagen beruhende Stories, die gleich auf mehreren Ebenen Staub aufwirbelten und zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft des US-Bundesstaates Massachusetts gegen Cambridge Analytica führten.
Denn Wylie enthüllte, dass Cambridge Analytica private Informationen von mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzern ausgewertet und mit den Analyse-Ergebnissen den Wahlkampf von Donald Trump unterstützt. "Die Bewohner von Massachusetts erwarten umgehend Antworten von Facebook und Cambridge Analytica. Wir beginnen mit Ermittlungen", teilte die Generalstaatsanwältin Maura Healey per Kurznachrichtendienst Twitter mit. Facebook hatte noch am Freitag mitgeteilt, dass es die Kooperation mit der Analysefirma wegen Verletzung der Datenschutzbestimmungen beende. Nach dem Bericht des "Observer" hat Cambridge Analytica Daten von Facebook-Mitgliedern 2014 ohne deren Zustimmung genutzt, um ein Programm zu erstellen, mit dem Wahlentscheidungen vorhergesagt und beeinflusst werden können. Durch das Programm erstellte Nutzerprofile hätten es erlaubt, ihnen personalisierte Wahlwerbung zukommen zu lassen.
Russland-Enthüllungen
Die Wylie-Enthüllungen werden zudem die gegenwärtigen Ermittlungen von Robert Mueller, US-Sonderermittler zu den möglichen Verbindungen von Donald Trumps Wahlkampfteam mit russischen Stellen, beschäftigen: Denn nach Aussagen von Wylie war es Cambridge Analytica, das mit WikiLeaks in der Causa um gestohlene E-Mails vom Server von Hillary Clinton, Trumps demokratischer Kontrahentin im Kampf ums Weiße Haus, Kontakt aufgenommen hat. Wylie wunderte sich auch über seltsame Kontakte zur zweitgrößten Ölfirma Lukoil. Warum der frühere Ölminister und Vertraute von Wladimir Putin, Vagit Alekperov, Interesse daran haben könnte, amerikanische Wähler über Social Media anzusprechen, sei ihm damals schleierhaft gewesen.
Facebook kommt inzwischen unter Druck: EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani kündigte eine Untersuchung an. Es werde geprüft, ob Daten missbraucht worden seien. EU-Justizkommissarin Vera Jourova will in dieser Woche bei ihrem US-Besuch mit dem Konzern und der Regierung in Washington über die Affäre sprechen. Der grüne EU-Parlamentarier Michel Reimon meinte im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Wir werden über Regulierung reden müssen. Wir stehen bei sozialen Medien heute dort, wo das Radio in den 1930er Jahren stand - sie werden vorwiegend als Propaganda-Instrumente genutzt. Es muss doch möglich sein, Medien demokratieverträglich zu nutzen. Die Öffentlich-Rechtlichen zeigen in Europa, dass das geht."
Auch Facebook-Investoren zeigten sich alarmiert: Die Aktie fiel im New Yorker Mittagshandel um 7,5 Prozent.