Mumbai. Lynchjustiz nach einer Whatsapp-Nachricht? Das klingt nach Material für einen modernen Thriller und ist in Indien doch keine Seltenheit. Erst in der vergangenen Woche wurden im Bundesstaat Madhya Pradesh zwei unschuldige Männer von einem Mob grausam zugerichtet, nachdem eine Whatsapp-Nachricht davor warnte, dass als Bettler verkleidete Männer durch die Gegend zögen, um Menschen zu töten und ihre Organe zu verkaufen.

Die Polizei erklärte, es habe sich um eine Falschnachricht gehandelt. Das war kein Einzelfall. Vor Wochen wurde ein 26-Jähriger von einer aufgestachelten Menge getötet, weil nach einer Whatsapp-Warnung vermutet wurde, er sei ein Kindesentführer. Allein in diesem Jahr wurden mehr als ein Dutzend Personen bei ähnlichen Vorfällen zusammengeschlagen.

Keine Änderung an der Verschlüsselung

Die Facebook-Tochter Whatsapp will die sich fieberhaft verbreitenden Falschnachrichten nun stärker bekämpfen. Der US-Konzern muss einen weiteren Skandal verhindern. Facebook steht nach dem Missbrauch von Nutzerinformationen durch die Analysefirma Cambridge Analytica weltweit unter Druck, mehr für die Privatsphäre und den Datenschutz zu tun. Indien ist mit mehr als 200 Millionen angemeldeten Nutzern der größte Markt für den Messengerdienst. "Leider nutzen einige Menschen Whatsapp, um schädliche Desinformationen zu verbreiten," hieß es in einer Mitteilung.

Es würden nun mehr Programme angeboten, um Mitglieder über Sicherheitseinstellungen und das Erkennen von Falschnachrichten zu informieren. Zudem erwägt Whatsapp, weitergeleitete Nachrichten besser erkenntlich zu machen. Änderungen an der Verschlüsselung sind nicht vorgesehen.

Massenhysterien in Indien

In Indien - einem Land mit mehr als einer Milliarde Mobilfunkkunden - verbreiten sich Falschnachrichten und -videos rasant, führen schnell zu Massenhysterien und schüren Aggressionen. Beobachter sind der Meinung, dass das Kastensystem und die bereits vorhandenen Probleme zwischen Hindus und den sich in der Minderheit befindenden Muslimen dies begünstigen.

Die indischen Behörden haben bereits signalisiert, künftig ausländischen Firmen, die Internetdienste in Indien anbieten, stärker auf die Finger zu schauen. So arbeitet die Regierung von Ministerpräsident Narendra Modi an einem Gesetz, das ausländische Unternehmen dazu zwingen würde, die Informationen von indischen Nutzern lokal zu speichern. Datenschützer warnen davor, dass der Bogen auch schnell überspannt werden könnte. "Es gibt nur eine feine Linie zwischen Falschnachrichten und Gesetzen, die die Privatsphäre aushöhlen", sagte der Mitgründer der Interessensgruppe Internet Freedom Foundation, Apar Gupta.

Ähnlich äußerte sich auch David Kaye. Der zuständige Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen sagte: "Einschränkungen der Regierung, um die Ausbreitung von Falschnachrichten zu verhindern, sind zu häufig ein Versuch, um die Bemühungen der Regierung zu verschleiern, die Meinungsfreiheit einzuschränken."