Wenn am Donnerstagmittag die Gewinner des heurigen Literatur-Nobelpreises bekanntgegeben werden, wird in der Schwedischen Akademie wohl der eine oder andere Stein vom Herzen fallen. Denn die heurige Preisvergabe ist sozusagen der Schlussstrich unter einen wahren Skandalreigen, dessen Auswirkungen die Akademie wohl noch viele Jahre spüren wird. Dass es heuer überhaupt einen Preis gibt, ist nur dem robusten Eingreifen der Verantwortlichen vom schwedischen König abwärts zu verdanken, denn um ein Haar wäre auch heuer der Donnerstag in der Nobelpreiswoche, traditionell für den Literatur-Nobelpreis vorgesehen, ein ungewollter freier Tag geworden, nachdem schon 2018 die Vergabe entfallen musste, weil das Gremium aufgrund von Rücktritten und einem handfesten Skandal nicht mehr beschlussfähig war.

Doch die Vergabe von 2018 wird nicht aufgehoben, sondern nachgeholt: Die Akademie, die fast völlig neu besetzt wurde, hat sich zu einer Doppelvergabe entschieden. Nacheinander werden am Donnerstag die beiden Gewinner bekanntgegeben. Ein Kraftakt, nicht nur für die Akademie, sondern wohl auch für die Feuilletons der Welt, die zwei Biografien gleichzeitig stemmen müssen. Vorbereiten kann man so etwas schließlich nicht, die Akademie ist dafür bekannt, Favoriten beharrlich zu ignorieren.

So musste jahrzehntelang Bob Dylan herbeigeschrieben werden, bis man sich 2016 doch dazu herabließ, nur um mit blanker Missachtung durch den Ausgezeichneten abgestraft zu werden. Dylan verweigerte zunächst jeden Kommentar und weigerte sich schließlich strikt, eine vorgesehene Rede zu halten. Das hat man nun davon, wenn man einen exzentrischen Weltstar auszeichnet, dessen musikalisches Schaffen zwar über jeden Zweifel erhaben ist, über dessen literarische Qualität man jedoch durchaus diskutieren kann. Die Akademie wird wohl daraus gelernt haben.

Irgendwie war der Dylan-Eklat auch der Auftakt zu einem schier endlosen Skandal, der sich in der Folge entwickelte. Im November 2017 wurden Belästigungs-und Vergewaltigungsvorwürfe gegen Jean-Claude Arnault, den Ehemann des Akademie-Mitglieds Katarina Frostenson, laut. Zudem ist der Franzose Leiter eines Kulturvereins, der mit Geldern der Schwedischen Akademie finanziert wurde: Seine Frau hatte jahrelang über Mittel für ihren Mann mitentschieden - eine schiefe Optik. Auch soll Arnault die Namen von Nobelpreisträgern vorab ausgeplaudert haben. Die Debatte unter den 18 Akademie-Mitgliedern, ob man Frostenson ausschließen sollte, dauerte ein halbes Jahr. Als man sie halten wollte, warfen drei Mitglieder entnervt das Handtuch, darunter auch der frühere Ständige Sekretär Peter Englund. Da Austritte aus der Akademie laut Statut aber nicht möglich sind, konnten die vakanten Sitze nicht nachbesetzt werden. Erst nach einem beherzten Eingreifen des Königs zogen sich die Ständige Sekretärin Sara Danius sowie Frostenson zurück. Das ließ das Gremium jedoch handlungsunfähig zurück, da die Mindestzahl der Stimmen zur Verleihung des Preises, die das rigide Statut aus 1786 vorsieht, nicht erreicht werden konnte.