Los Angeles. Eigentlich hat man die absente Figur des Moderators bei der 91. Oscar-Verleihung am allerwenigsten vermisst - ein paar (wenn auch wenige) zeitkritische Kommentare gab es von einigen Presentern, aber im Grunde war die führungslose Show damit ohnehin im Sinne ihrer Ausrichter, die seit Jahren mit einem dramatischen Zuschauerschwund kämpfen.
Alles sollte also flotter werden. Kein langes Show-Intro, keine zynischen Zwischentöne, man überließ der Filmbranche selbst die Bühne, was die Show zwar kürzer, aber kaum kurzweiliger machte. Immerhin: Ihre politischen Botschaften brachte die Academy durchaus mit der Wahl der Siegerfilme zum Ausdruck: Kaum anders ist der Oscar für den besten Film an "Green Book" zu verstehen, eine Geschichte um einen schwarzen Musiker und seinen weißen Chauffeur im rassistischen US-Süden der 60er Jahre. Neben dem Original-Drehbuch und der (verdienten) besten Nebenrolle für Mahershala Ali ist der "Best Picture"-Oscar ein Ausrufezeichen für mehr Toleranz und weniger Rassenhass - doch künstlerischen Wert hat dieser Oscar an den Film von Peter Farrelly keinen: Vor allem im Umfeld der Konkurrenz in dieser Kategorie, die unter anderem preiswürdigere Filme wie "The Favourite", "BlacKkKlansman" oder "Roma" beinhaltete.
Ein Coup für Netflix
Letzterer wurde zum wahren Gewinner des Abends, und natürlich auch zu einem, der mit viel Kalkül dazu gemacht wurde: "Roma", die Netflix-Produktion, die eigentlich nur fürs Fernsehen gedreht wurde, bekam einen Mini-Kinostart, um für die Oscars in Betracht zu kommen, eine Taktik, die Netflix geschickt genutzt hat und die fortan das Kino als Ort der vorrangigen Rezeption von Filmen in Rente geschickt hat; großes Kino, das war einmal, jetzt endgültig.
An der Qualität von "Roma" ändert das nichts: Aflonso Cuarons elegische, schwarzweiße Rückschau auf die eigene Kindheit war zehnfach nominiert, konnte schließlich drei Oscars einheimsen, und zwar alle drei für Cuaron selbst, der bereits zwei Oscars für "Gravity" (2013) daheim hat: Für "Roma" verlieh man dem Regisseur den Oscar für die beste Kamera (eine Seltenheit für Regisseure), den besten fremdsprachigen Film und die beste Regie: Cuaron hat sich damit unsterblich in die Annalen Hollywoods eingeschrieben.
Yorgos Lanthimos hoch favorisiertes Historiendrama "The Favourite" indes konnte nur eine seiner zehn Nominierungen in einen Oscar ummünzen: Olivia Colman schlug mit ihrer Leistung als desolate Queen Anne Ko-Favoritin Glenn Close aus dem Feld, die nun bereits sieben erfolglose Oscar-Nominierungen am Konto hat und eigentlich als Favoritin für "The Wife" ins Rennen gegangen war. Die Enttäuschung war ihr anzusehen. Bei den Herren gewann - fast wie erwartet - der ägyptischstämmige Rami Malek für seine Interpretation von Freddie Mercury im Film "Bohemian Rhapsody" die Trophäe. Der Film erhielt außerdem drei Ehrungen in den Ton- und Schnittkategorien. "Wir haben einen Film über einen schwulen Mann gedreht, einen Einwanderer, der sein Leben lang er selbst war, ohne sich dafür zu entschuldigen", sagte Malek. "Und die Tatsache, dass ich ihn und seine Geschichte heute mit Ihnen feiern kann, beweist, dass wir uns nach solchen Geschichten sehnen. Ich bin der Sohn ägyptischer Einwanderer. Ich bin ein Amerikaner erster Generation. Es wird gerade ein Teil meiner Geschichte geschrieben."