Es ist die große Geschichtenfabrik: Hollywood, wo die Träume produziert werden. Und wo sie auch schnell wieder wie eine Seifenblase platzen. Quentin Tarantino hat mit seinem Film "Once Upon A Time In Hollywood" dieser doppelbödigen Märchenhaftigkeit ein Denkmal gesetzt. Er reiht sich ein in eine lange Tradition: Denn die Selbstbespiegelung ist eine Disziplin, die Hollywood mindestens so gut praktiziert wie das Erschaffen von Illusionen. Obwohl mitunter auch die Selbstbespiegelung nicht von Illusionen verschont bleibt. Diese zehn Filme zeigen ein breites Spektrum über die Licht- und Schattenseiten der US-Filmproduktionshochburg.

- © Tim Hawley / Getty
© Tim Hawley / Getty

"Stadt der Illusionen"
von Vincente Minelli (1952)

Filmproduzenten sind nicht erst seit Harvey Weinstein nicht unbedingt Sympathiegaranten. Man muss dafür aber nicht immer gleich justiziabel agiert haben, das zeigt bereits dieser Film aus dem Jahr 1952. Kirk Douglas spielt den Produzenten Jonathan Shields, der in die beruflichen Fußstapfen seines Vaters tritt. Allein, schon der war so unbeliebt, dass für sein Begräbnis Statisten gebucht werden mussten, damit es nicht so betrüblich leer aussieht. Der Film zeigt die verschiedensten Varianten, wie Menschen mit einer gewissen Macht andere Menschen, mit denen sie arbeiten wollen, in Hollywood unter Kontrolle bringen: sei es durch Geld, sei es durch emotionale Erpressung. Natürlich hat "Stadt der Illusionen" noch eine weitere reizvolle Ebene: den Klatschfaktor. Der Film kann nämlich auch als Schlüsselgeschichte gelesen werden und sowohl die Branche selbst als auch der Zuseher machen nichts lieber, als zu rätseln, wer denn nun "in echt" gemeint ist. Der Produzent, der hier verfremdet porträtiert wird, ist aller Wahrscheinlichkeit nach David O. Selznick. Der Mann hinter "Vom Winde verweht" gilt als einer der mächtigsten Produzenten der Filmgeschichte.

"Boulevard der Dämmerung"
von Billy Wilder (1950)

Wie nahe Traum und Wahn beieinander liegen, hat Billy Wilder in seinem Kultfilm "Boulevard der Dämmerung" eindrucksvoll gezeigt. Es beginnt schon beim Titel des Films, der im Original mehr Bedeutungsebenen hat: Da bezieht er sich nicht nur metaphorisch auf das Ende einer Karriere, sondern auch auf die Straße "Sunset Boulevard" in Hollywood. Hier stand nicht nur das allererste Studio der Stadt, sondern auch das Villenviertel für die Stars der Stummfilmära war hier. Viele von ihnen residierten auch in den 1940er-Jahren noch dort – von der Öffentlichkeit weitgehend vergessen. Eine solche verlorene Seele porträtiert Wilder in seinem Film: Norma Desmond, fast beängstigend verkörpert von der tatsächlichen Ex-Stummfilmgröße Gloria Swanson. Ein hoch verschuldeter Drehbuchautor schleicht sich, fast ein bisschen unabsichtlich, in ihr Leben und ist plötzlich mit eingesponnen in das Lügennetz, das ihr Butler Max für sie produziert, um sie bei Laune zu halten. So glaubt sie, dass an einem Comeback von ihr gearbeitet wird. Auch Wilder hat Bezüge in die Realität eingebaut, am bösesten wahrscheinlich jener, dass Butler Max selbst von einem berühmten Regisseur gespielt wird: Erich von Stroheim ("Gier", "Der Hochzeitsmarsch"), wie Wilder österreichischer Provenienz.

"The Artist"
von Michel Hazanavicius (2011)

Einem ähnlichen Thema widmete sich der französische Regisseur Michel Hazanavicius Jahrzehnte später auf ganz andere Weise. Auch hier geht es um die zerbröckelnde Laufbahn eines Stummfilmstars: George Valentin, dessen Nachname nicht zufällig an Rudolph Valentino gemahnt, charmant dargestellt von Jean Dujardin. Hazanavicius bediente sich aber eines überraschenden Stilmittels: Er erzählte seine Geschichte nämlich in Form eines Stummfilms in Schwarz-Weiß. Obwohl auch hier eine tragische Figur, die sich nicht nur einmal das Leben nehmen will, im Mittelpunkt steht, ist "The Artist" im Unterschied zu "Sunset Boulevard" keine düstere Abrechnung, sondern ein munteres Märchen. Noch dazu mit umgekehrten Vorzeichen: Wird doch hier ein Prinz (ein Filmstar) von einer Prinzessin (einer aufstrebenden Tonfilm-Schauspielerin) gerettet. Hazanavicius geizt nicht mit Anspielungen, etwa auf Ginger Rogers und Fred Astaire bei den Tanzszenen. Und von "Citizen Kane" von Orson Welles, nach wie vor immer wieder als bester Film aller Zeiten bewertet, übernahm er gleich eine komplette Frühstückssequenz. Hollywood, Meister der Selbstreferenz.

"Singin‘ in the rain"
von Stanley Donen und Gene Kelly (1952)

Der Niedergang des Stummfilms – einmal geht’s noch. Dieser Einschnitt muss für die Filmindustrie nachhaltig prägend gewesen sein, denn noch ein weiterer Film hat ihn als Kernthema: das Musical "Singin‘ in the rain" von und mit Gene Kelly. Hier freilich geht man mit der Tragödie, die die Umstellung für so manchen Stummfilmstar bedeutet hat, recht leger um. Die Schauspielerin, deren Stimme zu quietschig für den Tonfilm ist, wird einfach als überspannte, ohnehin nervige Diva abgetan. So ist es auch leichter, dass das Traumpaar Gene Kelly und Debbie Reynolds zusammenfindet. Ähnlichkeiten der Konstellation (Stummfilmstar und aufstrebender Tonfilmstar) mit "The Artist" sind nicht ganz zufällig.

"Ed Wood" von Tim Burton (1994)
Einer der besten Filme über Hollywood hat mit Hollywood fast gar nichts zu tun. Zumindest nicht mit dem Glamour, den man sich gemeinhin vorstellt, und der Professionalität, die man erwartet. Tim Burton hat mit "Ed Wood" nämlich dem schlechtesten Filmemacher aller Zeiten ein Denkmal gesetzt. Ein fulminantes, freilich. Johnny Depp spielt Ed Wood, den Meister der bizarren B-Movies, der so gern Angorapulllis trug, mit rechtschaffener Beseeltheit. Der Film erzählt, wie es Wood gelang, die Horror-Ikone Bela Lugosi – in den 1950er-Jahren nicht mehr ganz auf der Höhe seiner Dracula-Berühmtheit – zu engagieren. Wie Wood mit seiner Transsexualität im dann doch nicht so liberalen Hollywood der 50er schwer aneckte. Während Wood immer verzweifeltere Wege beschreitet, um Geld für seine unfassbaren Filme aufzutreiben, kämpft Bela Lugosi mit seiner Drogensucht. Schattenseiten der Traumfabrik, die Burton in Schwarz-Weiß und ein bisschen Pink tragikomisch abarbeitet.

"Aviator" von Martin Scorsese (2004)
Einen ganz besonders glamourösen Protagonisten Hollywoods hat Martin Scorsese im biografischen Film "Aviator" gewürdigt. Der Regisseur verfolgt den Lebensweg des Milliardärs Howard Hughes, der neben seiner Tätigkeit als Filmproduzent auch Luftfahrtpionier war – was ihm schließlich auch zum Verhängnis werden sollte. Leonardo DiCaprio spielt diese verkorkste Figur, einen Mann, der mit seinem geerbten Reichtum zum Mittelpunkt der Glitzerwelt wurde – und immerhin verdankt ihm die Nachwelt Filme wie "Scarface" oder "Hell’s Angels". In Erinnerung bleibt er freilich als gigantischer Exzentriker – aber erwartet man sich das nicht von Hollywood-Millionären? Sehenswert macht den Film vor allem die Detailliebe in der Ausstattung der 20er- und 30er-Jahre, und der seltsame Reiz, den es hat, wenn Schauspieler andere berühmte Schauspieler spielen: wie hier Cate Blanchett Katherine Hepburn und Kate Beckinsale Ava Gardner.

"The Player" von Robert Altman (1992)
Ähnlich wie "Sunset Boulevard" kommt auch Robert Altmans Hollywood-Satire auf den ersten Blick wie ein Kriminalfall daher. Griffin Mill (Tim Robbins) bekommt seit einiger Zeit Morddrohungen. Er geht davon aus, dass sie von einem enttäuschten, abgewiesenen Drehbuchautor stammen, denn Mill ist in einem Hollywoodstudio dafür zuständig, aus den Tausenden eingebrachten Filmideen ein paar wenige auszuwählen, die tatsächlich produziert werden. Er hat auch schon einen Verdächtigen im Visier, und das Zusammentreffen mit diesem hat dann auch tödliche Folgen. Allerdings nicht für Mill, sondern für den Drehbuchautor. In Altmans Film entspinnt sich hernach ein wundersames Netz der Ungeheuerlichkeiten und Mill lässt in seiner Skrupellosigkeit so manchen Börsenhai im Film "Wall Street" blass ausschauen. Dass es in der Traumfabrik so gar keine Gerechtigkeit gibt und die Dreistesten auch aus ihrer Dreistigkeit noch Filme – natürlich mit Happy End – machen, das hat außer Altman noch selten jemand so prägnant aufgespießt.
"Schnappt Shorty" von Barry Sonnenfeld (1995)
Dass das Filmgeschäft mitunter ein blutiges sein kann, behauptet auch die Filmsatire "Schnappt Shorty". Basierend auf einem sensationell lustigen Krimi von Elmore Leonhard wird Hollywood hier metaphorisch mit der Mafia auf eine Stufe gestellt – beziehungsweise werden die Methoden durchaus vergleichbar dargestellt. John Travolta spielt einen wenig zimperlichen Kredithai, der seine Liebe zum Filmemachen entdeckt und schnell herausfindet, wie man mächtig wird – mit den richtigen Stars als Zugpferden (ausgerechnet Danny DeVito) und einer glamourösen Begleiterin. Heute gilt der Film als Geheimtipp, obwohl er von Kritikern als Schmuckstück im Range eines Quentin Tarantino eingeschätzt wurde.

"Adaption" von Spike Jonze (2002)
Das traumhafte Vagabundieren zwischen Realität und Fiktion, auf dem die ganze Filmindustrie fußt, hat wohl kaum ein Film besser porträtiert als "Adaption – der Orchideendieb". Er erzählt die Geschichte des Drehbuchautors Charlie Kaufman, der wegen einer Schreibblockade daran scheitert, seinen Auftrag zu erfüllen: Er soll einen Film über eine Schriftstellerin schreiben, die ein Buch über einen Orchideendieb geschrieben hat. Hier trifft sich die Fiktion mit der Realität, denn Drehbuchautor Charlie Kaufman hatte genau diesen Auftrag, bei dem er nicht weiterkam – daher beschloss er, einen Film über den Kampf mit dem Erstellen eines Drehbuchs zu schreiben. Klingt kompliziert? Ist es gar nicht. Aber das wahrscheinlich schönste Vexierspiel über Hollywood, das sich je jemand ausgedacht hat. Wobei, ausgedacht…

"Living in Oblivion" von Tom DiCillo (1995)
Was für eine elende Verzweiflungsmaschine die Traumfabrik auch anwerfen kann, illustriert "Living in Oblivion", in dem Steve Buscemi als Regisseur einer Independent-Produktion (zugegeben in New York, nicht Hollywood) wacker am Rande des Nervenzusammenbruchs balanciert. Eitle und gleichzeitig unfähige Schauspieler, technisch nicht versierte Kameramänner, explodierende Nebelmaschinen, ein ungelöstes Mutterproblem und ein Zwerg – hier treffen psychoanalytische Elemente und der ganz normale Filmalltagswahnsinn aufeinander. Und dazwischen machen Traumsequenzen alles noch ein bisschen absurder. Traumfabrik eben einmal anders.