"Auf diesem Baum da draußen wächst das Geld nicht." Gesundheits- und Sozialminister Rudi Anschober wies dabei vor Journalisten durch das Fenster auf den Innenhof des Pflegeheimes "Haus der Barmherzigkeit" in Wien-Ottakring. Der Grün-Politiker wollte am Freitag bezüglich der Finanzierung der Pflege erst gar keine Illusionen aufkommen lassen. Dafür sei ein Anteil aus dem öffentlichen Budget notwendig. Er sei überzeugt, dass man "in Summe mittelfristig bei einer Pflegereform mehr Geld brauchen" werde. Kein Thema ist für ihn die Aufbringung von Mittel aus einer Vermögenssteuer, wie das etwa die SPÖ fordert. Das tun zwar auch die Grünen, aber der Sozialminister sieht sich dem Regierungsabkommen verpflichtet, das wegen des kategorischen Neins der ÖVP keine Vermögenssteuer beinhaltet.

Dem Platzen der türkis-blauen Koalition ist die für Herbst des Vorjahres versprochene Pflegereform zum Opfer gefallen. Jetzt hat der Sozialminister das Geheimnis um den Zeitplan der türkis-grünen Bundesregierung gelüftet. Bis November diesen Jahres soll ein Paket zur Pflegereform geschnürt sein und Anfang 2021 starten. Anschober kündigte das Freitagfrüh beim Auftakt seiner "Dialog"-Tour an, die den Gesundheits- und Sozialminister im Februar und März zu 100 Stationen im Sozialbereich mit Betroffenen und Experten führen, von Pflegekräften bis zu Ärzten. Am Freitag sprach er mit Bewohnern und Mitarbeiterinnen des ""Hauses der Barmherzigkeit". Die bereits im Jänner angekündigte Arbeitsgruppe zur Pflege mit Vertretern von Bund und Ländern wird nach Ostern im April ihre Arbeit beginnen.

Neue "zivilgesellschaftliche Partnerschaft"

Diese Arbeitsgruppe soll vor allem auch die bisher verworrenen Finanzströme bündeln. Eine klassische Pflegeversicherung wie in Deutschland hat Anschober gleich nach seinem Amtsantritt am 7. Jänner abgelehnt. Der Sozialminister wird auch Vertreter von betroffenen Einrichtungen und NGOs in die Arbeitsgruppe holen. Er wolle nicht nur die sozialpartnerschaftliche Dialogtradition wiederbeleben, sondern zu einer "zivilgesellschaftliche Partnerschaft erweitern", sagte er. Damit erfolgte eine klar Abgrenzung zu früheren ÖVP-FPÖ-Bundesregierung, die etwa bei der Sozialversicherungsreform über die Köpfe und Proteste der Arbeitnehmervertreter in Gewerkschaft und Arbeiterkammer hinweg die Fusion der Kassen durchgezogen hat.

Ein Schwerpunkt wird neben der Finanzierung der Kampf gegen den Personalmangel sein. Andrea Kapounek, Geschäftsführerin im "Haus der Barmherzigkeit", und Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser, zeigten sich erfreut, die Anliegen dem Minister vorbringen können, wobei sie vor allem die Bedeutung von mehr Pflegepersonal hervorstrichen.

Erklärtes Ziel der Bundesregierung sind Verbesserungen für pflegende Angehörige. Claudia Sengeis, Sprecherin pflegender Angehöriger, übte aber ungeschminkt scharfe Kritik vor Journalisten: bisher habe es nur eine "PR-Show" der Regierung gegeben. Das burgenländische Modell der Anstellung pflegender Angehöriger beim Land lehnte Sengeis rundweg ab, weil rechtliche Fragen und die Haftung ungeklärt beziehungsweise problematisch seien.