Die Auseinandersetzung bei der Lohnrunde für rund 125.000 Pflegekräfte und weitere Mitarbeiter in der Sozialwirtschaft spitzt sich zu. Es geht um die einzige Forderung der Gewerkschaftsvertreter nach einer Verkürzung der Arbeitszeit auf 35 Stunden. Nach 13stündigen Verhandlungen bis Montagabend wurde die Gespräche bei der mittlerweile fünften Runde ohne Ergebnis unterbrochen. Die Vertreter der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp) und der Dienstleistungsgewerkschaft vida kündigten danach österreichweite Warnstreiks ab Mittwoch an. Allerdings wurde für 17. Februar bereits ein weiterer Verhandlungstermin vereinbart.

Lösung auf betrieblicher Ebene angeboten

Die Arbeitgebervertreter haben laut Darstellung der Gewerkschafterinnen Eva Scherz (GPA-djp) und Michaela Guglberger (vida) lediglich angeboten, die Entscheidung über die Einführung einer 37-Stunden-Woche in die einzelnen Betriebe zu verlagern. Es geht dabei vor allem um Sozialeinrichtungen wie Volkshilfe und Hilfswerk, aber auch Pflegekräfte im Verbund der Wiener Pensionistenheime sowie rund 1600 Bedienstete, die mittlerweile bei der schulischen Nachmittagsbetreuung im Einsatz sind. Die Personalvertreter fordern statt einer Lohnerhöhung die Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und haben in der Vorwoche bereits Protestaktionen in allen Bundesländern abgehalten.

Die Arbeitgebervertreter angeführt von Walter Marschitz wenden sich mit Blick auf die angespannte finanzielle Situation dagegen und befürchten, dass bei einer Arbeitszeitverkürzung noch mehr Fachkräfte im Pflegebereich fehlen werden.

Gewerkschaft will "die Schlagzahl erhöhen"

Die Vorsitzende der Privatangestelltengewerkschaft, Barbara Teiber, hat bereits am Montag und auch bei einer Protestkundgebung am vergangenen Mittwoch in der Wiener Innenstadt mit Warnstreiks gedroht. Die Gewerkschafterinnen am Verhandlungstisch vermissen konstruktive Verhandlungen auf Arbeitgeberseite. Daher werde man jetzt "die Schlagzahl erhöhen", kündigte Scherz in einer Aussendung an. Bei den Warnstreiks will man aber sicherstellen, dass sich niemand um"Gesundheit oder Würde von Angehörigen sorgen" müssen, versicherte die Privatangestelltengewerkschaft.

Man werde bei den Warnstreiks zeigen, warum die Arbeitszeitverkürzung in der Sozialwirtschaft notwendig sei, betonte Vida-Gewerkschafterin Michaela Guglberger. Der ÖGB-Bundesvorstand hat bereits vor rund zwei Wochen grünes Licht für Streiks gegeben. Großteils wird nun an diesem Mittwoch gestreikt. Schon im Vorjahr war der Lohnabschluss für die rund 125.000 Beschäftigten in der Sozialwirtschaft von Protestmaßnahmen und Demonstrationen begleitet gewesen.

Streiks laufen langsam an

Am Dienstag streiken nur einzelne Betriebe, teilte die GPA-djp in der Früh mit. So gebe es zum Beispiel in einer Wohneinrichtung in Oberösterreich kaltes statt warmem Essen, zudem werde die Wäsche nicht gewaschen, hieß es.

Am Mittwoch soll es dann zum Streik-Höhepunkt kommen. Mehrere Mitarbeiter von verschiedenen Betrieben werden ihre Arbeit niederlegen und am Nachmittag zu einer öffentlichen Streikversammlung vor dem Sozialministerium kommen. Die streikenden Mitarbeiter stammen unter anderem von der Lebenshilfe Wien, von den Wiener Sozialdiensten, vom Arbeiter-Samariter-Bund sowie von der Sucht- und Drogenkoordination Wien. Die Arbeit soll überall dort niedergelegt werden, wo keine dringenden Fälle zu behandeln sind, hieß es bei den Arbeitnehmervertretern. Für die Versammlung vor dem Ministerium werden etwa 50 bis 100 Teilnehmer erwartet.

Weiters wird in der Gewerkschaft GPA-djp eine zentrale Streikleitung eingerichtet. Dort befinden sich sowohl KV-Verhandler und Betriebsbetreuer als auch Pressesprecher und Juristen. Diese sollen Kollegen in Betrieben im Fall von Problemen, Konflikten oder Auseinandersetzungen unterstützen, sollte es fehlende Informationen über die rechtliche Situation geben oder sollte jemand am Streik gehindert werden. In der Zentrale werden auch Streikaktivitäten koordiniert und Infos gesammelt und verteilt, berichtete die Gewerkschaft am Dienstag. Auch in den Bundesländern soll es regionale Streikleitungen geben, die die streikenden Kolleginnen und Kollegen mit Infomaterialien und Plakaten versorgen.

Arbeitgeber "denken alle Optionen noch einmal durch"

Die Arbeitgeber bereiten sich auf die nächste Verhandlungsrunde am kommenden Montag vor. "Wir denken alle Optionen noch einmal durch", sagte Walter Marschitz, Verhandlungsführer der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) auf Arbeitgeberseite, am Dienstag. "Vielleicht gibt es noch den einen oder anderen Verhandlungsansatz." Er hofft, dass sich die Gewerkschaft bei ihrer Forderung nach einer 35-Stunden-Woche für die 125.000 Beschäftigten im privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich doch noch bewegt. Im Moment sieht er das Verlangen als nicht machbar an, weil dadurch der Personalmangel im Pflegebereich noch verschärft werden würde.

Für die 460 Betriebe in der Sozialwirtschaft sei es ohnehin schon schwierig, genügend Leute zu rekrutieren, beklagte Marschitz. In den vergangenen Jahren hätte es eine 50-prozentige Zunahme von Kräften in Pflegeheimen gegeben, trotzdem sei der Bedarf noch größer. "Irgendwann ist dann Schluss", so Marschitz.

Eine Einigung in den KV-Verhandlungen müsse für alle Betriebe machbar sein, "damit wir das in den Kollektivvertrag hineinschreiben können", betonte der Verhandler. Für das Treffen am Montag befürchtet er ein "ziemliches Ringen". Dass die Gewerkschaft nur eine einzige Forderung habe, mache es schwierig, sagte Marschitz. Die Gespräche würden allerdings "durchaus ernsthaft" betrieben, auch zuletzt habe er nicht das Gefühl gehabt, die Gewerkschaft habe die Verhandlungen absichtlich platzen lassen. Der Ausgang ist für ihn trotzdem "unabschätzbar", sagte er. (ett, apa)