Nach acht weiteren Verhandlungsstunden in der sechsten Runde brachen die Verhandler des Kollektivvertrags der Sozialwirtschaft ihre Gespräche  am Montagabend - weiterhin ohne Ergebnis - ab. Die Arbeitnehmer-Vertretung hätte nach wie vor gerne eine 35-Stunden-Woche für die gesamte Branche und alle 125.000 Beschäftigten; von jener der Arbeitgeber gab es ein klares Nein zur Arbeitszeitverkürzung - vor allem in der stationären Pflege. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer berichteten von "null Annäherung" und "inakzeptablen" Vorschlägen des Gegenübers.

Weitere Warnstreiks am 26. und 27. Februar

"Nachdem die Arbeitgeber noch immer kein Angebot vorgelegt haben, das die Arbeitsbedingungen verbessert, erhöhen wir jetzt den Druck", gab Eva Scherz, Verhandlerin für die Gewerkschaft GPA-djp per Aussendung bekannt: "Unsere Warnstreikmaßnahmen von letzter Woche werden am 26. und 27. Februar fortgesetzt und ausgedehnt. Wir streben nach einem guten Abschluss, aber wir fürchten auch nicht die Konfrontation."

"Die Warnstreiks letzte Woche haben eines deutlich gezeigt: Die Beschäftigten stehen geeint hinter der Forderung nach einer 35-Stunden-Woche. Sie sind bereit, dafür zu kämpfen", erklärt Michaela Guglberger, Verhandlerin für die Gewerkschaft vida und sagt: "Letzte Woche haben wir bei den Warnstreiks gezeigt, was möglich ist. Daran werden wir anknüpfen."

Die Arbeitnehmer hätten den Arbeitgebern der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) eine Etappenlösung vorgeschlagen, berichtete Guglberger. "Eine Etappenlösung auf vier Jahre", - ein Jahr Lohnerhöhung, ein weiteres Jahr Arbeitszeitverkürzung plus Inflationsabgeltung, im dritten Jahr wieder eine Lohnerhöhung, im vierten noch eine Arbeitszeitverkürzung plus Inflationsabgeltung. "Aber auch dazu kam ein klares Nein, speziell für den Bereich der stationären Pflege", sagte Guglberger.

Arbeitgeber sehen stationäre Pflege als größtes Problem

Walter Marschitz, Verhandler aufseiten der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ), zeigte sich vom Beharren der Gewerkschaft auf der einzigen Forderung nach einer 35-Stunden-Woche nicht begeistert. "Natürlich freut uns das nicht", sagte er nach den langen Verhandlungen. Aber jeder Verhandlungspartner habe eine Linie, das sei zu akzeptieren, sagte er.

Als größtes Problem sieht er weiterhin den Bereich der stationären Pflege, weil eine Arbeitszeitverkürzung vor allem dort den Personalmangel verschärfen würde. In Sachen 35-Stunden-Woche sieht er kaum ein Weiterkommen. "Wir reden seit vier Jahren aufeinander ein und treten dabei ein bisschen auf der Stelle", so Marschitz.

Hoffnungslos ist die Situation für ihn allerdings nicht. "Mir fallen viele Dinge ein, viele Ideen", sprach Marschitz mögliche Kompromissvorschläge für die nächste Verhandlungsrunde an. "Aber die Ideen brauchen halt immer Zustimmung", sagte er und zeigte sich optimistisch für 2. März, da auf beiden Seiten noch Raum für Bewegung sei. Da ist der nächste Verhandlungstermin anberaumt.

Bedenken und offene Fragen der Träger

Sozialminister Rudolf Anschober von den Grünen versuchte den Streit vergangene Woche mit dem Vorschlag eines Kombipakets zu kalmieren. Aus seiner Sicht könnte es in einem Jahr Lohnerhöhungen und in einem anderen eine "leichte Verkürzung" der Arbeitszeit geben.

Natürlich würde eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich auch einiges kosten. Die Forderung entspricht laut Gewerkschaft einer Lohnerhöhung von 8,6 Prozent. Die Arbeitgeberseite bietet 2,35 Prozent - allerdings ohne Arbeitszeitverkürzung.

Von den 125.000 Arbeiterinnen in der Sozialwirtschaft arbeiten 70 Prozent Teilzeit, die absolute Mehrheit sind Frauen. Diese würden ihre Arbeitszeit nicht erhöhen, aber am Ende mehr Geld herausbekommen, wenn es nach den Plänen der Standesvertretung geht.

Dass die angestrebte Lohnerhöhung bei der Arbeitgeberseite als ungewöhnlich hoch rüberkommen kann, dessen ist sich die Gewerkschaft durchaus bewusst. Aus ihrer Sicht könnte man aber durchaus über einen Etappenplan für mehrere Jahre diskutieren, heißt es dort. Wie viel die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich kosten würde, lässt sich nicht leicht beantworten. Weder das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) noch das Institut für Höhere Studien (IHS) hat dazu Berechnungen angestellt. Auch die Gewerkschaft kann aufgrund der unterschiedlichen Träger und Steuertöpfe keine konkrete Gesamtsumme für ihr Vorhaben nennen.

Grundsätzlich hält es auch der Chefverhandler der Arbeitgeberseite, Walter Marschitz, für gut, dass Arbeitszeiten flexibler werden. Eine 35-Stunden-Woche könne aber nicht die einzige Lösung sein. Die Sozialwirtschaft sei so vielschichtig, dass es nicht zwingend sinnvoll sei, eine Arbeitszeitverkürzung für alle einzuführen. 45 Prozent der betroffenen Arbeitnehmer würden in der Pflege arbeiten, der Rest sei in zahlreichen unterschiedlichen Berufsgruppen der Sozialwirtschaft tätig.

Noch etwas zurückhaltend in der öffentlichen Diskussion verhalten sich Trägerorganisationen wie Volkshilfe oder Hilfswerk. Dort will man einmal die angespannte Situation in den Verhandlungen abwarten und diese nicht durch Zwischenrufe stören. Die Sprecherrolle habe im Moment die Sozialwirtschaft Österreich über, heißt es. Bedenken und Fragen gibt es aber auch bei den Trägern, was die Pläne der Gewerkschaft etwa in Bezug auf die Pflege anbelangt. Artikuliert werden diese vorläufig nur hinter vorgehaltener Hand.

Recht einig scheint man sich bei den Trägern darüber zu sein, dass eine prompte Umsetzung einer 35-Stunden-Woche in der Pflege beispielsweise die Anbieter überfordern könnte. Es bräuchte in jedem Fall eine Übergangszeit.

Denn schon jetzt suchen die Träger händeringend nach Pflegekräften. Offene Stellen könnten nicht entsprechend besetzt werden, weil an sich zu wenige Arbeitskräfte in diesem Bereich Markt sind. Ein zusätzlicher "Arbeitsstundenausfall" könnte dieses Problem kurzfristig verschärfen und Auswirkungen auf die Kundinnen und Kunden haben, so die Befürchtung. Vorgeschlagen wurde von einer Trägerorganisation beispielsweise ein Stufenplan für eine Arbeitszeitreduktion über vier Jahre. Das hält zumindest diese für sich als machbar.

Offen ist für die Träger auch die Frage, wie die Lohnerhöhung letztendlich finanziert werden soll. Vermisst wird eine klare Ansage der jeweiligen Landesräte in den Bundesländern dazu, von deren Finanzierungszusagen so manche Trägerorganisationen abhängig sind, wenn es wirklich zu einer Lohnerhöhung von 8,6 Prozent kommen würde. (jm, mad, apa)