Die von der Bundesregierung geplante Pflegereform ist mit einer Fachtagung am Dienstag in ihre zweite Phase gestartet, nach der Online-Ideensammlung im Sommer. Bis Jänner soll die Reform nun konkreter in Arbeitsgruppen erarbeitet werden, und im Laufe des Jahres 2021 soll die Umsetzung beginnen. Dabei will man - nach dem Vorbild des Gesundheitswesens - eine gemeinsame Zielsteuerungskommission einrichten und die Finanzierungsströme zumindest bündeln.

Gemeinsam mit den Betroffenen

Man wolle die Reform mit den Betroffenen gemeinsam erarbeiten und nicht über deren Köpfe hinweg, nannten Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) in einer Pressekonferenz als Motto. Angesichts des demografischen Wandels gehe es um die Chance und das Recht jedes einzelnen, die zusätzlich geschenkten Lebensjahre gut und in Würde verbringen zu können.

Ziele seien also eine hohe Qualität der Pflege, die Stärkung der Betroffenen (sowohl der Gepflegten als auch der Pflegenden), die Attraktivierung der Ausbildung, die Schaffung österreichweit einheitlicher Standards sowie die Entflechtung und Bündelung der Finanzierungsströme. "Das wird auch eine Herkulesaufgabe, eine große Herausforderung sein", gestand Anschober ein. Aber: "Die Tür ist offen, auch auf der politischen Ebene. Diese Reform ist als ein zentrales Schwerpunktprojekt dieser Regierung definiert."

Zusätzliche 100.000 Pflegekräfte bis 2030

Man werde dafür sehr viele neue Mitarbeiter benötigen, nämlich rund 100.000 bis zum Jahr 2030. Dies sei eine große beschäftigungspolitische Chance. "Das ist ein großartiger Beruf, wir wollen ihn auch in die Öffentlichkeit bringen", sagte der Minister.

Für den Koalitionspartner ÖVP unterstrich Klubobmann und Sozialsprecher August Wöginger, dass man den Mensch in den Mittelpunkt stellen und dessen Eigenständigkeit so lange fördern und unterstützen wolle, wie es in dessen Sinn sei. Daheim vor Stationär nannte er als Thema, aber auch die Unterstützung pflegender Angehöriger und eine Strategie bei Demenzerkrankungen. Einmal mehr warb er auch für eine Pflegelehre mit altersspezifischem Curriculum.

Hilfwerk-Geschäftsführerin Anselm: Reform gelingt, "weil sie uns gelingen muss"

Hilfswerk-Geschäftsführerin Elisabeth Anselm betonte im Interview mit dem Ö1-Morgenjournal, dass die Pflegereform gelingen werde, "weil sie uns gelingen muss". Es habe sich ein "Problemstau entwickelt", sie sehe aber bei allen in der Politik, im Bund wie in den Ländern als auch bei den Verantwortlichen in Organisationen eine "Aufbruchstimmung".

Wie Anschober betont auch Anselm, dass die Reform nur mit genügend Personal stehe: "Wir brauchen Menschen, die in diesen Beruf gehen, das ist wirklich das Herzstück der Reform", sagte Anselm. Anstelle von viel Bürokratie und Zweifel an den Qualifikationen der Pflegekräfte brauche es neue Rahmenbedingungen, "auch ein Stück Vertrauen, damit die Pflegepersonen ihre Kompetenzen ausleben können".

Anselm sieht in jenen, die sich im Rahmen der Arbeitsstiftung für die Pflege umschulen lassen eine "große Chance", es müsse aber auch die Ausbildung dringend reformiert und auch aus dem Ausland Pflegekräfte rekrutiert wird. Die Hilfswerk-Geschäftsführerin plädiert auch dafür, dass die Ausbildung kostenfrei sein müsse und der Lebensunterhalt währenddessen staatlich gestützt werden solle, "was bei der Polizei möglich ist, muss auch in der Pflege möglich sein". (apa, red)