Den Österreicherinnen und Österreichern soll künftig ein bundesweit einheitliches Pflegeangebot und das vor allem auch zu bundesweit einheitlich Kosten zur Verfügung stehen. Dieses Anliegen steht im Mittelpunkt jener Arbeitsgruppe, die mit Betroffenen im Pflegebereich seit dem Herbst des Vorjahres einen Bericht über die Schwerpunkte für eine Pflegereform ausgearbeitet hat. Auf 40 Seiten liegt der türkis-grünen Bundesregierung damit nun eine Grundlage für die coronabedingt zumindest um ein Jahr verzögerte Pflegereform, die im Laufe des heurigen Jahres angepeilt wird, vor.
Das Papier hakt damit bei jenen Punkten ein, die in der Vergangenheit vom Rechnungshof bemängelt worden sind. Der regelrechte Dschungel an je nach Bundesland unterschiedliche Leistungen für rund eine halbe Million pflegebedürftiger Menschen, für die auch stark divergierende Kosten für Betroffene anfielen, soll durchforstet werden.
Der Bericht der Arbeitsgruppe, der jetzt mit wenigen Wochen Verspätung vorliegt, empfiehlt, auf diesen Punkt das Hauptaugenmerk bei einer Pflegereform zu legen. "Ziel ist die Entwicklung von einheitlichen Kriterien für gemeinsame Planung und Weiterentwicklung in allen Bundesländern und eine abgestimmte Vorgehensweise auf der Grundlage von gemeinsamen Zielen", heißt es in dem Papier.
Dazu seien geeignete Strukturen für eine Steuerung der Pflege zu entwickeln. Derzeit gibt es wie auch im Gesundheitsbereich das Problem, dass der Bund im Wesentlichen für die gesetzlichen Vorgaben für die Pflege- und Betreuung sowie für die Auszahlung des Pflegegeldes zuständig ist. Die Umsetzung liegt bei den Ländern in Zusammenarbeit mit den Gemeinden und diversen Anbietern von Pflegeleistungen, etwa bei der mobilen Pflege. Dafür werden höchst unterschiedliche Zahlungen der öffentlichen Hand geleistet, damit fällt auch der Kostenbeitrag der pflegebedürftigen Menschen beziehungsweise der Angehörigen unterschiedlich hoch aus.
Qualitätskriterien sollen einheitlich werden
Daher müssten künftig die wesentlichen Kostenbestandteile von Pflegeleistungen einheitlich definiert werden, wird im Bericht der Arbeitsgruppe an die Koalition, in der Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) und ÖVP-Klubobmann und Sozialsprecher August Wöginger die Verhandlungen führen werden, verlangt. Dazu gehöre nicht nur die Festlegung von Pflegeleistungen, sondern auch die Definition von bestimmten einheitlichen Qualitätskriterien, wird betont.
Erst damit werde eine Grundlage für Vergleiche und eine künftige Steuerung geschaffen und damit auch die Basis für die künftige Tarifgestaltung. "Normkosten" sollen sich nach dem Pflegebedarf und den Qualitätsanforderungen richten. Bundesweit wird derzeit das Pflegegeld bereits nach dem für jeden notwendigen Pflegebedarf in sieben Stufen ausbezahlt. Rund 460.000 Menschen erhalten in Österreich damit Pflegegeld.
Darauf soll dann mit Bedarfs- und Entwicklungsplänen nach österreichweit einheitlichen Kriterien reagiert werden, weil der Pflegebedarf in Österreich regional unterschiedlich ist. Regional soll der Bedarf ermittelt werden, diese Stellen könnten dann auch künftig Anlaufstellen für die Bevölkerung zu Pflegefragen sein. Wichtiges Anliegen ist außerdem, dass der Hospiz- und Palliativbereich in den Bereich der regulären Finanzierung einbezogen wird.
Steuermittel statt Pflegeversicherung
Entscheidender Punkt einer Pflegereform ist die künftige Finanzierung. Der Einführung einer eigenen Pflegeversicherung ist zunächst von den Grünen, in der Folge dann auch von der ÖVP eine Absage erteilt worden. Die ÖVP-Führung hat zwar weiter von einer Pflegeversicherung gesprochen, darunter aber in erster Linie ein Zusammenführen der unterschiedlichen Finanzierungsströme verstanden. Derzeit fließen je nach Berechnung zwischen knapp sechs Milliarden und acht Milliarden Euro pro Jahr von der öffentlichen Hand in den Pflegesektor.
Erklärtes Ziel ist auch im Bericht der Arbeitsgruppe eine "Bündelung" der diversen Finanzierungsströme. In dem Papier ist dabei auch die Einbeziehung der Pflegebedürftigen in die Finanzierung angeführt, wobei das Pflegegeld, aber auch sonstige Kostenbeiträge genannt werden. Der Pflegefonds, mit dem der Bund bisher aus Steuermitteln die wachsenden Kosten für die Pflege abdeckt, bilde dafür eine "gute Ausgangsbasis", stellt die Arbeitsgruppe fest.
Die Verteilung der Mittel müsse mit Blick auf eine "Gesamtsteuerung" überdacht werden, wird empfohlen. Künftig soll für die Finanzierung nicht nur die jeweilige Bevölkerungszahl ausschlaggebend sein, sondern auch die Zahl der in einer Region lebenden Pflegebedürftigen sowie der Altersstruktur. Hintergrund dafür ist, dass vor allem für Hochbetagte über 80 Jahren die Pflegekosten deutlich nach oben schnellen. Die "zersplitterten Finanztöpfe" sollen gebündelt werden, aber auch den regionalen Bedürfnissen angepasst werden.
Höhere Grundgehälter und Zulagen
Das Konzept zielt klar auf die Unterstützung von Angehörigen im Pflegebereich, die schon bisher das Pflegesystem in Österreich zu einem großen Teil tragen. Diese Angehörigen sollen künftig besser unterstützt werden. Teil des Berichts sind auch Maßnahmen, um Pflegeberufe attraktiver zu machen. Nach einer vielfach zitierten Studie fehlen bis 2030 rund 100.000 Mitarbeiter im Pflegewesen, weil viele Beschäftigte in diesem Sektor in Teilzeit arbeiten beziehungsweise 75.000 Vollzeitkräfte. Für die Arbeitsgruppe führt dabei wie auch für Experten kein Weg am Einsatz ausländischer Arbeitskräfte vorbei. Für deren Tätigkeit solle es daher Erleichterungen auf dem Arbeitsmarkt geben.
Ausdrücklich angeführt wird auch eine "gerechtere Entlohnung". Das bedeute auch eine Erhöhung der Grundgehälter im Pflegebereich. Zulagen für Nacht- und Feiertagsdienste müssen darüber hinaus erhöht werden. Bei Dienstplänen müsse ein besserer Ausgleich zwischen Beruf und Alltagsleben ermöglicht werden. Pflegeexpertinnen sollten von der Politik vor allem auch in diesem Bereich in weitere Gespräche einbezogen werden.
Wie geht es nun in Sachen Pflegereform weiter? Sozialminister Anschober und ÖVP-Klubchef Wöginger kündigen an, dass jetzt mit den Bundesländern Verhandlungen über eine Umsetzung in Angriff genommen werden.