15.400 Anmeldungen für die Aufnahmetests vermelden die Medizinischen Universitäten in Wien, Graz und Innsbruck sowie die Medizinische Fakultät Linz. Dem stehen ab Herbst dieses Jahres 1.850 Studienplätze für ein Human- oder Zahnmedizinstudium gegenüber. 75 Prozent von ihnen müssen in Österreich maturiert haben. Gemeinsam mit den Privatunis werden im Oktober 2.200 angehende Mediziner ihre Ausbildung beginnen.

Oft aus der Politik ventilierte Forderungen, die Ausbildungsplätze drastisch zu erhöhen, erteilen die Medizin-Unis eine Absage. "Wir haben keinen Ärztemangel", sagt Markus Müller, Rektor der Med Uni Wien, der mit seinen Kollegen der weiteren Med Unis am Donnerstagnachmittag zu einem Hintergrundgespräch geladen hatte. 48.705 Ärzte versehen bundesweit ihren Dienst; mehr als doppelt so viele wie 1990. Mit einem Schnitt von 5,5 Ärzten pro 1.000 Einwohnern ist das der Spitzenwert unter den OECD-Ländern. Die Zahl von 1.850 Ausbildungsplätzen, die bis 2028 auf 2.000 steigen soll, sieht Müller als "relativ hoch" an. Zum Vergleich: im zehnmal so großen Deutschland gibt es 12.000 Ausbildungsplätze für Mediziner, in der Schweiz 1.300. "Der Ruf nach mehr Ärzten scheint nicht nachvollziehbar", sagt auch Hellmut Samonigg, Rektor der Med Uni Graz. "Was uns aber auf den Kopf fällt, ist, dass wir beim Pflegepersonal ganz unten sind." In Österreich kommen 10 Pflegekräfte auf 1.000 Einwohner (Deutschland: 14; Schweiz: 18).

Der "Ärztemangel" sei keine Folge fehlender Mediziner, sondern des Gesundheitssystems. Es herrsche Verteilungsmangel. So gäbe es ein klares Stadt-Land-Gefälle was niedergelassene Ärzte betrifft. Einzelne Zweige wie Kinderpsychiatrie und Anästhesie bräuchten wiederum mehr Studien-Absolventen, hier würde mehr tatsächlich Personal benötigt. "Es geht nicht um zu wenig Köpfe, wir haben sie nur nicht dort, wo wir sie brauchen", sagt Müller. "Ende 2019 hat es In Österreich 327 unbesetzte Kassenärzte-Stellen gegeben", erklärt Samonigg. Dem seien rund 10.000 Wahlärzte gegenübergestanden, also in die Privatmedizin abgewandert. "Die sind aber nicht versorgungswirksam, wie wir es bräuchten", meint der Rektor aus Graz. Die Abwanderung in die lukrative Privatmedizin könne durch bessere Bezahlung niedergelassener Kassenärzte gegengewirkt werden. Ein weiteres Migrationsproblem betrifft die Studienabsolventen. "Österreich ist ein Netto-Exporteur von Medizinern", sagt Müller. Hier ausgebildete Ärzte wandern häufig nach Deutschland und in die Schweiz aus – teils aus finanziellen Gründen aber auch wegen besserer Arbeitsbedingungen. "Nur 74 Prozent der Absolventen planen, in Österreich zu arbeiten." Dem gegenüber stehen relativ wenige Mediziner aus anderen Ländern, die hier Dienst versehen. Während es in Österreich 6 Prozent im Ausland ausgebildete Ärzte gibt, sind es in Deutschland 12 Prozent und in der Schweiz 34 Prozent.

Einen Anschub bräuche es auch in Sachen Pflege. Mit der Ausbildung in Österreich könne die Nachfrage nicht erfüllt werden. "Pflege lässt sich nur durch Zuzug lösen", sagt Müller.