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Unternehmen auf Zeit

Von Erich Thewanger

Recht

Gastbeitrag: Den Bauherrn kaufmännisch zu vertreten, bedarf einer kaufmännischen Projektsteuerung.


Wien. Komplexe Bauprojekte erfolgreich umzusetzen ist eine Herausforderung der besonderen Art: Zahlreiche Beteiligte unterschiedlicher Fachrichtungen und Interessenlagen stehen vor wesentlichen Entscheidungen, die gemeinsam zu treffen sind und es geht immer um viel Geld. Was es dafür braucht: einen "Chief Financial Officer" (CFO).

Aus dem Joballtag eines Finanzchefs: Das Unternehmen hat akuten Raumbedarf. Der Architekt hat erste Entwürfe und Kostenschätzungen vorgelegt, und die Unternehmensleitung hat den Spatenstich bereits vor Augen. Der CFO fühlt sich nicht wirklich wohl damit. Die Medienberichterstattung zu Skylink, Flughafen Berlin und anderen "Baukatastrophen" gehen ihm durch den Kopf - zusammen mit der Frage: Was tun, damit diese Schlagzeilen nicht zu jenen des eigenen Unternehmens werden?

Der CFO des Bauherrn ist in den meisten Fällen weder selbst noch mit einer entsprechenden Vertretung Teil des Kernteams eines Bauprojektes. Dadurch kann es passieren, dass der kaufmännische Aspekt untergeht. Die Folgen können fatal sein. Eine bessere Einbindung des CFO ist der notwendige nächste Schritt im Bauprojektmanagement, um kaufmännische Projektrisiken frühzeitig zu erkennen und damit so umzugehen, dass alle Beteiligten gut damit zurechtkommen. Als Teil des Teams können die Finanzchefs die technischen und rechtlichen Projektziele und -risiken besser verstehen und entsprechend zum Vorteil des Projekts agieren. Zudem können wesentliche Prozesse und Entscheidungen erheblich optimiert werden.

Die Beschaffung komplexer Bauprojekte setzt ein hohes Maß an technischem, rechtlichem und kaufmännischem Know-how voraus. Deshalb ist der Erfolg komplexer Hoch- und Tiefbau-Projekte auf drei Ebenen bestimmt. Die technische Ebene beinhaltet die Qualität der funktionalen, formalen und nachhaltigen Ausprägung. Auf der kommerziellen Ebene wird die Kosten- und Zeiteffizienz behandelt sowie der Wettbewerb und die optimale Harmonisierung mit dem Kerngeschäft. Themen wie Compliance und Prozesssicherheit werden auf der rechtlichen Ebene geklärt.

Für eine erfolgreiche Projektentwicklung ist es von großer Bedeutung, dass die unterschiedlichen Projektgruppen die Ziele der jeweils anderen Beteiligten verstehen und annehmen. Um große und komplexe Infrastrukturprojekte erfolgreich umzusetzen, bietet es sich an, die kaufmännischen Funktionen, Anforderungen und Werkzeuge in den gesamten Prozess zu integrieren. So kann das Risiko, welches jedem Bauprojekt immanent ist, minimiert und gemanagt werden. Außerdem ist es dadurch möglich, die kaufmännischen Bauherreninteressen bereits von der ersten Vision bis zur fertigen Inbetriebnahme der Infrastrukturinvestition - sei es Hoch- oder Tiefbau - wirksam in Projekten zu verankern und umzusetzen.

Fünf Phasen im Bauprojekt

Die Entwicklung einer Immobilie gliedert sich in fünf Projektphasen. Zu Beginn steht die Vision, die im Rahmen der ersten Phase zur Strategie übergeleitet wird. Dabei werden die Unternehmensstrategie und das Geschäftsmodell in eine kaufmännisch effiziente Projektstrategie übersetzt. Ein weiterer Fokus liegt auf der Schaffung von vollständigen, belastbaren und in sich konsistenten Entscheidungsgrundlagen. Das Ergebnis: ein strategisches Projekt beziehungsweise Handlungsoptionen, die mit vorläufigen Business Cases als Entscheidungsgrundlage aufbereitet werden.

Im Zentrum der zweiten Phase - der Initiierung - steht die Erarbeitung des baulichen Bedarfs sowie einer Machbarkeitsstudie zur Ermittlung einer zielkonformen Umsetzungsoption. Zu diesem Zeitpunkt entscheiden sich die Verantwortlichen außerdem für ein Finanzierungs- und Beschaffungsmodell und sichern sich den jeweiligen Standort. Das kaufmännische Resultat dieser Phase ist ein kaufmännischer Business Case, der die relevanten Projektgrundlagen monetär (in ihren Auswirkungen auf GuV, Bilanz und Cashflow) abbildet und Zielsetzungen für die Fortführung des Projektes definiert.

Die Gebäude- und Systemstruktur sowie Raumlösungen werden im Rahmen der Planungsphase erarbeitet. Ziel ist es, sämtliche planerischen Voraussetzungen für ein erfolgreiches Bauprojekt zu klären. Die Beschreibung der Bauaufgaben dient als Basis für die Kalkulation der Ausführenden. Am Ende sollte auch das kaufmännische Projekt als Voraussetzung für die Realisierungsgenehmigung vorliegen. Es beinhaltet die geplante Finanzierung des Projekts sowie die kommerziellen Vorgaben für alle Projektbeteiligten im Zusammenhang mit der Umsetzung und eine kaufmännische Dokumentation der Entscheidungsfindung. Bis zu 80 Prozent der Lebenszykluskosten eines Bauprojekts werden bis zum Ende der Planungsphase festgelegt. Vor allem in dieser Phase muss der CFO unmittelbar im Projekt vertreten sein.

In der Phase der Ausführung wird die Bauaufgabe schließlich umgesetzt. Bei der Inbetriebnahme erfolgt die Qualitätsfeststellung und Implementierung der Gebäudebewirtschaftung. Hier stellt sich der CFO die Frage: Wurden die kaufmännischen Vorgaben und Ziele des Projekts erreicht? Jedes Bauprojekt unterläuft in der Ausführungsphase Veränderungen. Daran sollte das kaufmännische Gewissen des Unternehmens aktiv und unmittelbar im Sinne einer laufenden Einbindung in die Projektsteuerung teilnehmen. Am Ende der Ausführungsphase sollte ein kaufmännischer Projektabschlussbericht vorliegen, der alle kaufmännischen Aspekte des Projekts in einer für Dritte nachvollziehbaren Dokumentation zusammenfasst und als Basis für die künftige kaufmännische Steuerung in der laufenden Nutzung dient.

Mittendrin statt nur dabei

Die Phasen und Schritte im Lebenszyklus einer Immobilie zeigen: Den Bauherrn im Bauprojekt kaufmännisch zu vertreten ist mehr als Controlling - es bedarf außerdem einer kaufmännischen Projektsteuerung. Denn jedes Bauprojekt ist insbesondere auch ein kommerzielles Projekt und sollte als "Unternehmen auf Zeit" betrachtet werden. Die Funktion der kaufmännischen Bauherrenvertretung als "CFO des Projekts" muss daher organisatorisch direkt in der Projektleitung verankert werden.

Zum Autor

Erich

Thewanger

ist Partner bei KPMG. Den Schwerpunkt seiner Tätigkeit als Steuer- und Unternehmensberater bildet die Zusammenarbeit mit Unternehmen der öffentlichen Hand in den Bereichen Kaufmännische Beratung (PPP, Projektmanagement und Risikomanagement) sowie Immobilienwirtschaft.